Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
hin? Ich meinte mich. Du wolltest doch einen Kerl. Nun, da bin ich“, wurde Abel eindeutiger.
„Das ... das war nur so dahin gesagt“, redete Judas mehr, als dass er dachte. „Das war ... keiner kannte mich und da ... da reiße ich dann auch mal ordentlich das Maul auf…“
„Macht nichts“, lächelte Abel. „Mir hat’s gefallen. Mal etwas ganz anderes als dieser Konsumscheiß, den die Kinder meistens wollen. Nicht immer. Aber viele. Und auf jeden Fall etwas, das ich in meiner Funktion als Weihnachtsmann wirklich erfüllen kann.“
Judas sackte das Herz in die Pyjamahose. Abel beugte sich langsam und irrsinnig schnell zugleich über ihn und drückte ihm einen raschen Kuss auf die Lippen, nicht drängend, aber mit einer unausgesprochenen Frage darin. Judas fühlte die warme Haut an seinem Mund, die Verheißung von Feuchtigkeit und konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Er wünschte es sich so sehr, berührt zu werden, Nähe und ...
Nein, in Hinsicht auf seinen Wunsch hatte er dem Weihnachtsmann schon die Wahrheit gesagt, wenn auch etwas drastischer formuliert, als er es wirklich empfand.
Ein Teil von ihm hatte eine Heidenangst. Alles, was ihm je zuteilgeworden war, war ein wenig aufgeregtes Knutschen in einer dunklen Ecke und ein Handjob auf dem Klo von einem Typen, der ihn „Püppi“ genannt und dessen Namen er nie erfahren hatte. Dieses Erlebnis hatte ihn euphorisch und gedemütigt zugleich zurückgelassen. Die Theorie kannte er, wie auch nicht in Zeiten des Internets mit seinen eindeutigen Angeboten, aber die Praxis war ihm immer noch fremd. Und das lag wahrscheinlich nicht bloß an seinem Aussehen.
Aber Abel ... Auch wenn seine Mutter ihn angeschleppt haben mochte, wie auch immer, er wollte diesen Kerl. Immerhin hatten sie sich ja schon vorher bekannt machen dürfen.
„Ich“, murmelte er etwas zittrig, während die Finger des anderen vorsichtig durch sein Haar glitten. „Ich habe aber noch nie ...“
„Was?“, flüsterte Abel zurück. Er konnte seinen warmen Atem, der nach Whiskey und Marzipan roch, in seinem Gesicht spüren.
„Mein Scheiß-Aussehen“, platzte es aus Judas heraus. „Und ... und in Wahrheit bin ich nicht so der Draufgänger. Mehr als ein bisschen rumgemacht habe ich noch nie ...“
Abel versiegelte seinen Mund mit seinem eigenen, bevor er noch mehr Blödsinn hätte reden können. Judas Gehirn begann sich mit sanftem Schwung in seinem Schädel zu drehen, als eine kundige Zunge sich zwischen seinen bebenden Lippen hindurchschlängelte, um dann gegen seine zu drängen und sie zu liebkosen. Es war ein Gefühl, als tränke er warmen Honig mit Krokantsplittern darin – nur besser.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sich Judas‘ Finger irgendwie schüchtern und tollkühn zugleich auf die breiten Schultern des anderen verirrt hatten, hob Abel wieder den Kopf.
„Ach weißt du“, sagte er. „Wenn du redest, dann merkt man es, dass du kein Teenager mehr bist. Und dann sieht man es auch, wie falsch der erste Eindruck da ist. Auf jeden Fall. Frag da mal den Weihnachtsmann, der weiß alles. Und ich ... ich mag beides. Wie du redest und wie du aussiehst. Wirklich. Irgendwie ... wie hätte das meine Oma formuliert, die garantiert auch auf dich gestanden hätte? Keck. Und ich komme sehr nach meiner Oma. Klar, wir beide kennen uns kaum. Aber Wunsch bleibt Wunsch ... und was wünscht du dir wirklich?“
Judas streckte sich aus. Er fühlte einen merkwürdig nervösen Frieden durch sich fließen. Dann sagte er langsam: „Das, was sich wohl alle Menschen in letzter Konsequenz wünschen irgendwie. Nicht alleine sein. Jemanden haben, den man liebt und den man wiederliebt. Da mag meine Mutter noch so lästern. Und ... und ... aber ... ich will auch anfassen ... und ... naja ... das ist nicht dasselbe, ich weiß, aber ... habe ich ja gesagt, nicht wahr?“
Abel griff nun seinerseits nach seinen Schultern. Finger streichelten ihn. Das war verwirrend, aber so ... gut.
„Schon klar“, sagte er ruhig und stupste leicht mit seiner Nase gegen Judas`. „Deine Mutter hat mich deswegen eingeladen, nicht wahr? Damit du ... jemanden kennenlernst? Wie sie von dir erzählt hat, da bin ich neugierig geworden. Und daher dachte ich: Warum nicht? Ich bin neu hier, und so toll ist es auch nicht, Weihnachten allein auf eine Party zu gehen. Schau ich mir den Knaben also mal an. Das kann nicht schaden. Außerdem mag ich deine Mutter, echt. Meine hat mich mehr oder minder
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