Winterliebe: eine Anthologie aus fünf sinnlich-romantischen, humorvollen und homoerotischen Love Storys (German Edition)
hier sind dick. Nur für Weihnachts-Lobhudelei hat sie einen siebten Sinn…“
„Das habe ich auch schon mitbekommen“, gab ihm Abel Recht, „da ist sie wohl ziemlich ... eigen. Aber immerhin feiert sie heute hier mit uns, obwohl sie all dieses Aufgesetzte, die Verlogenheit und den Missbrauch vielleicht einmal wahrhaft guter Gedanken ablehnt. Ist das nicht viel eher im Sinne von Weihnachten als das, was meine Eltern mit mir abziehen? Sie haben mir nicht mal eine Karte geschrieben. Ich bin ihnen egal, nur weil ihnen meine Sexualität nicht ins Konzept passt – und das nicht einzig aus religiösen Gründen. Die haben eine dicke, fette Tanne, garantiert, und machen mit meinen Geschwistern auf heile Familie, während ich für sie tot bin. Ist das etwa christlich?
Da lieber diese unchristliche Weihnacht hier. Viel lieber. Und was ich mir gewünscht habe? Dasselbe wie du wohl. Ich habe zwar schon ... du weißt schon. Reichlich. Aber auf die Dauer ist das Scheiße. Man bleibt immer allein und irgendwann fällt es einem auf. Ich will auch wen. Nicht nur für den Sex, verstehst du? Ich werde achtundzwanzig, kurz vorm Krückstock sozusagen, und ich habe die Schnauze voll von One-Night-Stands und Mal-sehen-Affären. War total aufregend. Lange Zeit. Aber es reicht. Ich mag nicht mehr. Ich weiß zwar nicht, ob du derjenige bist welcher, und du willst es vielleicht auch erst mal krachen lassen. Verstehe ich voll und ganz. Doch das ... das habe ich mir in einem Anflug von Sentimentalität gewünscht. Habe wahrscheinlich im Buchladen zu viel George Michael abbekommen. Meine Familie bekomme ich nicht mehr zurück.
Aber ich möchte auch etwas haben. Jemanden. Ich möchte mich verlieben, auch wenn das heillos unzeitgemäß und leicht verblödet klingen mag. Mir egal. Ich möchte mit jemandem zusammen sein. Ich will nicht stehen bleiben und in fünfzig Jahren vollgedröhnt mit Viagra junge Typen für Sex bezahlen und mir einreden, die fänden das geil oder die hätten mich gern. Ich will weitergehen. So ist das.“
„Na ja“, erwiderte Judas benommen nach dieser Ansprache und sah zu ihm hinauf. „Ich weiß das natürlich auch nicht. Wir lernen uns ja gerade erst kennen, wenn auch unter etwas seltsamen Umständen. Wenn ich der Typ für ein wildes Party-Leben wäre, dann läge ich jetzt wahrscheinlich kaum hier mit dir in meinem Kinderzimmer, sondern würde halbnackt mit Engelsflügelchen angetan auf dem Tresen irgendeines Clubs tanzen.“
Abel lachte auf bei dieser Vorstellung.
„Nette Idee“, grinste er. „Das würde ja passen – ein schwuler Weihnachtsmann mit einem Stripper-Himmelsboten.“
„Ach weh ... nein!“, wehrte sich Judas und musste bei der Vorstellung auch lachen. „Dafür würde mich meine Mutter enterben. Wegen des Engels, nicht wegen des Strippens. Oder auch nicht, weil es schön blasphemisch wäre. Doch das ... das bin ich nicht. Stattdessen finde ich es wirklich schön, heute Abend hier zusammen mit dir zu sein. Ich bin wohl eher lahm.“
„Wenn du nicht gerade den Weihnachtsmann fertigmachst?“, hakte Abel nach und begann erneut seine Finger sanft über Judas‘ Oberkörper gleiten zu lassen, dass der eine Gänsehaut bekam, die ihrem fehlenden Festtagsbraten auch gut gestanden hätte.
„Ja, okay. Ab und an reitet es mich. Aber ... ich will nicht los ... und irgendwelche Fremden“, erklärte sich Judas. „Das kann ich nicht. Aus diversen Gründen, die ich selbst auch nicht alle verstehe. Ich habe es ja versucht. Aber ich bin das nicht. Blöderweise. Es ist echt zum Kotzen ...“
„Das kann ich ändern“, erwiderte Abel und ließ seine Zunge über Judas‘ Hals kitzeln, dass dieser nach Luft schnappte.
„Das wäre nett“, keuchte Judas.
„Allerdings ...“, erwiderte Abel etwas zögerlich. „Wenn wir diesen Weihnachtswahnsinn, den wir beide ausgeheckt haben, wirklich für voll nehmen wollen ... dann ... dann nicht hier und jetzt.“
„Ich glaube, ich bin auch etwas zu besoffen für ... irgendwas ...“, musste Judas zugeben.
„Ich habe auch einen sitzen“, pflichtete ihm Abel bei. „Und es wäre schade, das so zu tun, auch wenn einiges in mir da anderer Meinung ist. Doch aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben? Vielleicht ist das ja auch ... eine Chance? Wie wär’s? Wir tun das einfach. Setzen mal auf diese Karte. Fressen den Weihnachtskuchen nicht einfach blöde auf, dass uns schlecht wird und wir ihn nie wieder sehen wollen. Sondern ... und das ist auch
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