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Wintermädchen

Wintermädchen

Titel: Wintermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Halse Anderson
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leiser und leiser, ihr Schreibtisch rückt immer weiter von mir weg.
    »Jagen die Geister dir Angst ein?«
    »Cassie schon.«
    Die Wolle zieht sich fester um meine Hände, bis meine Finger blau anlaufen.
    »Magst du mir von ihr erzählen?«
    Ich erzähle es ihr. Ich erzähle ihr jedebekloppteCassiegeschichte, wie sie sich in ihrem Sarg aufrichtete, wie sie mich nachts beobachtete, wie sie in meinen Kopf kroch, mich auf Schritt und Tritt verfolgte, es in der Apotheke schneien ließ. Wie ich aufhörte, meine Tabletten zu nehmen, extraviele Tabletten schluckte, nachts stundenlang trainierte, aufhörte zu trinken, ritzte und ritzte, um Cassie loszuwerden, um alles loszuwerden. Dass nichts hilft. Regen, Regen, Regen läuft mir übers Gesicht, sodass ich fast ertrinke.
    Und die ganze Zeit heftet Dr . Parker ihre kleinen Spinnenaugen auf mich und entlockt mir die Worte, indem sie einfach nur dahockt und mit angehaltenem Atem bewegungslos in der Mitte ihres Netzes wartet. Ich rede und rede, bis mein Hals leer ist und meine Hände sich taub anfühlen.
    Sie kommt hinter ihrem Schreibtisch hervor und wickelt sanft die Wolle von meiner Hand. Das Blut strömt in meine Finger zurück. Dann wischt sie mir die Tränen mit einem weichen Taschentuch ab und setzt sich neben mich.
    »Wer weiß sonst noch davon?«
    »Niemand. Nein, Moment, das stimmt nicht. Cassie natürlich.«
    »Du hast deinen Eltern nie gesagt, dass du Geister siehst? Auch nicht, als du jünger warst?«
    »Nie im Leben. Mom hätte mir geantwortet, ich solle nicht so ein Theater machen. Dad hätte bestimmt vorgeschlagen, Dichtkunst als Hauptfach zu belegen oder in Gothic zu promovieren. Sie hören mir nie zu, sie halten es kaum mit mir aus. Ich bin eine Puppe, für die sie inzwischen zu alt sind.«
    Dr . Parker kramt ein Halsbonbon mit Kirschgeschmack aus der Tasche ihrer Strickjacke, wickelt es aus und steckt es sich in den Mund. Eine Weile lässt sie das Bonbon zwischen den Zähnen klickern. Draußen türmen sich die Schneemassen immer höher.
    Schließlich beginnt sie zu sprechen. »Warum erzählst du mir das alles, warum heute?«
    Ich muss heftig schlucken. Ich stecke bereits bis zum Hals drin. Also kann ich ihr ebenso den Rest geben.
    »Cassie versucht mich umzubringen. Sie sagt, ich sei zwischen den Lebenden und den Toten gefangen, und ich soll in ihre Gruppe. Sie sitzt gerade drüben im Wartezimmer und löst ein Kreuzworträtsel.«
    »Du hast sie dort gesehen?« Dr . Parker streicht mir mit ihren Fingerspitzen über den Handrücken.
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll mich in Ruhe lassen. Aber sie tut’s nicht.«
    Ring! Der Halt’s-Maul-Zeitstopper unterbricht mich.
    Dr . Parker presst ihre Lippen zusammen und erhebt sich langsam, streckt die Muskeln in Beinen und Rücken. »Und siehst du sie jetzt gerade auch?«
    »Nein, sie ist nicht hier im Raum, sie ist hinter der Tür. Oder war. Gehen Sie doch rüber und schauen Sie sich das Kreuzworträtsel an. Sie hat dreizehn senkrecht falsch gelöst und Bund eingetragen, obwohl es eigentlich Pakt hätte heißen müssen.«
    Während ich all das erkläre, gießt Dr . Parker Wasser in einen Styroporbecher und stellt ihn in die Mikrowelle.
    »Gucken Sie nur in die Zeitschrift.« Ich stopfe die Wolle zurück in meine Tasche. »Ich denke mir das nicht aus. Ich halluziniere nicht. Es ist so real wie das Blut auf meinem Verband oder das Halsbonbon in Ihrem Mund.«
    »Man kann unmöglich beweisen, wer dieses Kreuzworträtsel ausgefüllt hat«, erwidert sie.
    »Aber ich habe Ihnen doch von dem Fehler erzählt, den sie gemacht hat.«
    Dr . Parker holt den Becher aus der Mikrowelle, taucht einen Teebeutel hinein, schüttet ein Tütchen Zucker dazu und rührt mit einem Plastiklöffel um. »Den könntest du beim Blättern entdeckt haben, oder du hast ihn selbst gemacht.«
    »Kann sein.«
    Im Wartezimmer sind Stimmen zu hören. Ein weiterer Patient, der verzweifelt genug ist, um sich an Heiligabend durch einen Schneesturm herzukämpfen.
    Dr . Parker reicht mir den Becher. »Tee«, sagt sie. »Das hilft immer.«
    Ich trinke einen Schluck. Es schmeckt wie Bleistiftspäne mit Süßstoff.
    Sie setzt sich wieder an ihren Schreibtisch und greift zu ihrem Füller. »Ich bin wirklich stolz auf dich, Lia. Du hast heute mehr erreicht als in den ganzen letzten zwei Jahren.« Sie notiert etwas auf einem gelben Block. »Bekomme ich deine Erlaubnis, über die heutige Sitzung zu reden?«
    Ich putze mir die Nase. »Klar, warum nicht?«
    »Danke. Ich

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