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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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zu weit oben, als dass sie aus dem Fenster hätte fliehen können, wenn die Frau ausrastete. Vermutlich stand das Telefon in der Küche, dann konnte sie sich in den Flur schleichen, während Solveig Granith Mys Freundin anrief. Die Tüte im Flur, die Jacke. Blut .
    »Kommen Sie mit, ich rufe sie an. Vielleicht können Sie gleich mit ihr sprechen.«
    Seja nickte. Ihr Mund war trocken wie Sandpapier. Sie musste unbedingt einen klaren Gedanken fassen. Sie war größer und kräftiger als diese Frau, was sollte ihr passieren?
    Wie eine Mutter, die endgültig die Geduld mit ihrem eigensinnigen Kind verloren hat, schob Solveig sie jetzt vor sich her durch die dunkle Wohnung.
    In Sejas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie versuchte sich umzudrehen. »Ich habe ja ihren Namen, da kann ich sie doch auch von zu Hause anrufen.«
    Ihre Stimme wurde immer schriller, bis die Worte schließlich ganz in ihrer Kehle stecken blieben.
    Sie gingen an der Küche vorbei, wo ein altmodisches Telefon auf dem Tisch stand. Seja wollte gerade erneut protestieren, als Solveig die Tür zu einem Raum aufriss, bei dem es sich um einen begehbaren Kleiderschrank handelte.
    Ein spitzes Knie traf Seja ins Kreuz, und sie stürzte kopfüber in etwas, was sich gleichzeitig hart und weich anfühlte. Der Schmerz schoss ihr bis ins Genick. Es gelang ihr gerade noch, den Kopf so weit zu drehen, dass sie die Silhouette einer weiteren Person ausmachen konnte, die hinter Solveig stand. Dann bekam sie einen harten Schlag auf den Kopf, und alles wurde schwarz.

63
    »Er hat gesagt, dass er sie getötet hat, dass sie es verdient haben, und dass er keinen Anwalt braucht.«
    Tell und Bärneflod befanden sich am Rauchertreffpunkt auf der Rückseite des Polizeigebäudes.
    »Du kriegst also nichts aus ihm raus, hm?«
    »Keinen Piep. Wirklich buchstäblich keinen Piep. Seit seinem Geständnis hat er den Mund nicht mehr aufgemacht. Er hat seine Story erzählt, und seitdem hält er die Klappe.«
    Bärneflod pfiff durch die Zähne. »Konnte man echt nicht ahnen, dass der kleine Scheißer so dreist sein könnte. Ich dachte, der Junge wäre ein Wrack.«
    Tell murmelte zustimmend und zündete sich eine Zigarette an – die zweite innerhalb von fünf Minuten. Wenn er sich im Namen des Gesetzes schon zum Rauchen hier herunterbequemte, dann konnte er die Gelegenheit auch gleich richtig nutzen.
    »Ich weiß nicht, ob der wirklich so keck ist«, sinnierte Tell mit einer tiefen Falte zwischen den Brauen.
    Er hatte inzwischen schon einige Stunden mit Sebastian Granith verbracht. Niemand argwöhnte mehr, dass Sebastian einen anderen Täter schützte. Zumal seine Fingerabdrücke denen in dem gemieteten Jeep zugeordnet worden waren. Da die Waffe in beiden Fällen dieselbe gewesen war, musste Granith also auch für den Mord an Waltz verantwortlich sein.
    Bei Molin sah die Sache hingegen völlig anders aus. Tell war überzeugt, dass Sebastian wusste, wer den Mann umgebracht hatte. Doch nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, verriet die Miene des Jungen, dass er nicht daran dachte, zu reden. Je länger das so ging, umso mehr ärgerte sich Tell, dass ihm die vollständige Lösung des Falles vorenthalten wurde.
    »Nein«, sagte er nach kurzem Nachdenken. »Er schweigt nicht, weil er so dreist ist. Der Junge hat einfach abgeschaltet. Es kommt mir so vor, als würde er an irgendetwas anderes denken, als könnte er die Wirklichkeit einfach per Knopfdruck ausblenden.«
    »Scheint ja in der Familie zu liegen«, murmelte Bärneflod. Den Ausführungen folgte eine heftige Hustenattacke. Während er Tell den zuckenden Rücken zudrehte, klopfte ihm sein Kollege hilfsbereit zwischen die Schulterblätter.
    »Na, geht’s? Du klingst ja wie ein Tbc-Patient. Was hast du grade gesagt?«
    »Ich habe bloß gesagt, dass das wohl in der Familie liegt. Bei der Mutter hatte ich genau dasselbe Gefühl, dass sie einfach abschaltet und einen gar nicht mehr bemerkt. Und dann bemerkte sie einen wieder viel zu deutlich. Kein Wunder, dass der arme Junge einen Knacks hat.«
    Tell nickte geistesabwesend. Er lenkte seine Schritte zur Cafeteria statt zu seinem Büro, denn er spürte, dass er sich im Moment sowieso auf nichts konzentrieren konnte.
    Bärneflod folgte ihm und plauderte unbefangen weiter. Wie Tell kaufte er sich einen Kaffee und eine Zimtschnecke.
    Sie nahmen ihren Nachmittagsimbiss mit in die Abteilung, wo sie auf Gonzales trafen, der nach mehreren Stunden Schreibtischarbeit offensichtlich nach

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