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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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zerstörerischer Größe auswachsen konnten. Und sie wusste etwas. Sie wusste etwas .
    Jetzt verstand Seja auch, warum sie trotz aller bösen Vorahnungen hierhergekommen war. Hier würde sie eine Antwort bekommen. »Ja, ich habe sie sehr gern gehabt. Es wäre auch schwer gewesen, sie nicht zu mögen. Sie wirkte immer so ehrlich.«
    Schließlich wischte sich Solveig Granith die Tränen mit dem Bündchen ihres Pullovers ab. Wortlos stand sie auf und ging auf wackligen Beinen in die Küche, wo sie an der Kaffeemaschine herumhantierte.
    »Ist es okay, wenn ich unser Gespräch aufnehme? Ich muss nur kurz mein Diktiergerät holen.«
    Im nächsten Moment bereute Seja ihr forsches Vorgehen. Doch Solveig murmelte nur, sicher, Seja könne ihre Unterhaltung auf Band aufnehmen, und ja, sie könne auch mitschreiben.
    Seja hatte ihre Jacke im Flur auf der Armlehne eines Stuhls abgelegt, mitsamt dem kleinen Diktiergerät in der Tasche.
    Es kam ihr so vor, als sei der Fäulnisgeruch noch intensiver geworden. Sie ließ den Blick schweifen, um die Ursache des Gestanks zu finden, entdeckte aber nur eine Plastiktüte unter einem niedrigen Tischchen vor dem Flurspiegel. Oben ragten schmutzige Fetzen heraus, der Zipfel einer Daunenjacke mit rotbraunen Flecken – war das Blut?
    In ihrem Rücken hörte sie Solveig zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her gehen.
    Als Seja zurückkam, fing die Frau an zu erzählen. Sowie sie von My sprach, war die Kargheit ihrer Äußerungen wie weggeblasen. Als ob der Gedanke, ihre Tochter zu vergessen, ihr Todesangst einjagte, und als ob sie My nur einen Platz in der Erinnerung bewahren konnte, indem sie über sie redete.
    Seja war froh, dass das Diktiergerät lief, denn sie verlor sich bald in Solveigs Erzählungen. Ab und zu hatte sie das Gefühl, es ginge um sie selbst, als hätte Solveig sie seit ihrer Geburt beobachtet.
    Zwischen Sejas Mutter und der Frau im Sessel gab es nicht allzu viele Ähnlichkeiten. Dennoch identifizierte sich Seja in diesem Moment voll und ganz mit My, und nach einer Weile flossen Mys und ihre Persönlichkeit ineinander.
    Sie staunte, wie diese scheinbar so schwache und labile Frau in der Lage war, ein bis in den letzten Winkel ihrer Seele ausgeleuchtetes Porträt ihrer Tochter zu zeichnen, die immerhin Teenager gewesen war, als sie verschwand. Auf einmal hatte sie das Gefühl, dass Solveig Granith ihre Tochter erst nach deren Tod richtig kennengelernt hatte, als Teil ihrer Trauerarbeit.
    »Von einem Freund von My habe ich gehört, dass sie mit jemand zusammengelebt hat, ein paar Jahre bevor sie ... starb. Jemand, mit dem es ihr wirklich ernst war. Ich dachte mir, Sie haben sie vielleicht auch mal getroffen und könnten mir etwas über sie erzählen. Sie interessiert mich aus ...«
    Sie brach mitten im Satz ab und seufzte. »Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein. Ich habe mit jemandem gesprochen, der mit My in die Schule ging. Er kannte sie ziemlich gut, und auch die Frau, mit der My damals zusammen war, Caroline Selander. Er sagte, sie liebte My so sehr, dass sie sie besitzen wollte.«
    Zum ersten Mal, seit Seja ihr Diktiergerät angeschaltet hatte, begann Solveigs Blick unruhig hin und her zu wandern. Es war, als fühlte sie sich von allen Seiten bedrängt. Seja nahm an, dass ihr die lesbische Beziehung ihrer Tochter nicht angenehm war. Vielleicht ging es aber auch um etwas anderes. Auf einmal fiel ihr wieder der lange Mantel an der Flurgarderobe ein.
    Seja schluckte. »Ich dachte nur, wenn diese Frau so wichtig für My war und My so wichtig für sie, dann ... wäre es wohl möglich, dass ich über sie spreche? Für meine Geschichte?«
    Die letzte entschuldigende Bemerkung fügte sie hinzu, weil sie schon spürte, dass die Brücke zwischen ihnen zerstört war. Solveig war völlig verstört, verengte die Augen zu Schlitzen und presste die Arme an den Oberkörper. Seja mochte sich kaum ausmalen, was der Grund für diese plötzliche Reaktion gewesen sein könnte. »Vielleicht sollte ich besser gehen«, schlug sie vor. Sie versuchte ruhig zu bleiben, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug.
    »Nein, bleiben Sie!«, befahl Solveig mit plötzlicher Schärfe. »Ich werde sie fragen! Ich werde sie ... gleich anrufen.«
    »Anrufen ...?«
    »Sie können natürlich selbst mit Caroline sprechen.«
    Frau Granith hatte die Stimmlage gewechselt und sprach auf einmal mit honigsüß schmeichelndem Ton. Lieber Gott, die ist ja völlig durchgedreht.
    Seja wagte nicht abzulehnen. Die Wohnung lag

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