Winternacht
machten uns auf den Weg zu meinem Zimmer.
»Lass es, rede nicht davon, denk nicht mal daran«, sagte ich. »Ich möchte im Moment nur baden, mir frische Sachen anziehen und mir vorstellen, dass wir vielleicht eine kurze Stunde frei atmen können, ohne dass etwas Schreckliches passiert.« Ich küsste ihn auf die Nase und begann, meine Kleider auszuziehen.
Grieve schnaubte. »Du weißt genauso gut wie ich, dass er nur wieder versuchen wird, dir an die Wäsche zu gehen. Aber mir ist klar, dass du tust, was du musst.« Er schien mit sich im Reinen, schien nicht mehr mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen, und ich war dankbar, dass wir das Ritual vollzogen hatten. »Geh dich waschen, ich lege dir Kleider heraus.«
Das Wasser tanzte über meine Haut, der Strahl massierte meine schmerzenden Muskeln, und ich schäumte mich mit der Lavendelseife ein, bis das heiße Wasser ausging und kühles nachströmte.
Ich trat aus der Dusche, hüllte mich in ein Handtuch und wischte den Wasserdampf vom Spiegel. So viel war geschehen, so viel geschah noch, und ich war mir nicht sicher, wie ich mit all den neuen Entwicklungen umgehen sollte. Nachdem ich mich eine Weile betrachtet hatte, schüttelte ich den Kopf und verließ das Badezimmer.
Grieve wartete auf mich, und bevor ich noch ein Wort sagen konnte, zog er mich in seine Arme und küsste mich. Aber anstatt Anstalten zu machen, mich zum Bett zu ziehen, trat er einen Schritt zurück und reichte mir meinen BH, eine saubere Jeans und einen bequemen Rollkragenpulli.
»Lange wirst du solche Sachen nicht mehr anziehen, meine Geliebte. Die Königin von Schnee und Eis trägt keine Jeans.« Seine Stimme klang sehnsüchtig, und ich konnte mir vorstellen, dass er gehofft hatte, ins Sommerreich zurückkehren zu können, um dort in Wärme und Licht zu leben.
»Ich werde nicht so tun, als könnte ich schon verstehen, was das alles hier bedeutet. Aber mein ganzes Leben lang war mir klar, dass ich eines Tages nach New Forest zurückkehren würde – zu dir zurückkehren würde. Das habe ich getan, und wir sind wieder zusammen. Solange Myst noch lebt, befinden wir uns in Gefahr, aber jetzt … jetzt fühlt es sich so an, als hätten wir wenigstens eine Chance, gegen sie zu gewinnen.« Ich setzte mich aufs Bett, um mich anzuziehen. »Trotzdem bin ich hundemüde und habe keine Ahnung, was wir tun sollen.«
»Lainule hatte recht. Die Initiation muss bald vonstattengehen. Sie schwindet, und sie muss sich aus dieser Welt zurückziehen, bevor das geschieht. Kehrt sie rechtzeitig in das Land zurück, in dem sie geboren wurde, kann sie mit Wrath an ihrer Seite alt werden. Wenn sie bleibt, wird sie zu Dunst und Nebel, zu einem Geist.« Er ließ den Kopf hängen. »Sie ist mir immer wie eine Mutter gewesen. Meine eigene starb, als ich noch klein war – sie war Lainules Schwester. Und bevor du fragst – ja, Rhiannon ist in der Feenlinie auch meine Cousine.«
»Seit wann weißt du das?« Endlich wagte ich es, diese Frage zu stellen, denn nun hatte die Antwort nicht mehr ganz so viel Gewicht wie zuvor.
»Seit der Zeit noch vor deiner Geburt. Vergiss nicht, dass hier viele Ebenen des Schicksals zusammengekommen sind: die, die wir beide gelebt haben, als du noch Mysts Tochter warst. Die von Lainule und Wrath, als sie erkannten, dass Myst wieder an die Macht gelangen wollte. Die Ebene eurer Mütter, die eingewilligt haben, Töchter des Lichten Hofs auszutragen. Denk nicht einmal eine Sekunde lang, dass Heather und Krystal nicht begriffen haben, was vor sich ging. O doch, sie wussten es.«
Ich zeigte auf den Boden. »Kannst du mir meine Schuhe geben? Danke … Sie wussten es also? Warum ist meine Mutter dann mit mir weggelaufen?«
Er drückte mir meine Sneaker in die Hand. Sie würden meinen Füßen guttun nach der langen Zeit in den schweren Stiefeln. »Sie hat ihre Meinung geändert. Sie konnte mit den Kräften, die sie hatte, nicht umgehen, geschweige denn mit der Tatsache, dass ihre Tochter eines Tages über die Feen herrschen sollte. Die Dinge ändern sich. Die Höfe haben sich zu lange abgeschottet, Inzucht ist ein Problem geworden. Du bist nicht ganz Fee, du bringst frisches Blut ins Reich. Es ist Zeit, sich zu öffnen. Uns zur Welt hin zu orientieren.«
»Aber muss es nicht eine gewisse Reinheit in der Blutlinie geben? Wenn wir Kinder haben, werden sie nicht mehr ganz Fee sein.« Es war kaum zu fassen, dass wir tatsächlich über so etwas wie eine eigene Familie sprachen. Und obwohl ich wusste,
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