Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
entrüstete sich Leonie weiter, „deine, du hättest ...“
Der Zorn in ihm brodelte. Ungerührt sah er zu, wie seiner Tochter die Tränen über die Wangen strömten. Diese Journalistin nahm sie in die Arme, aber sie ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Was dachte sich diese Zicke?, überlegte er. Die beiden Frauen hatten doch keine Chance gegen ihn. Er wandte sich wieder Leonie zu. Ging sogar einige Schritte auf sie zu. „ Nach meinem Tod hättest du als meine Alleinerbin alles erfahren sollen“, sagte er in einem etwas versöhnlichen Ton. „Nur der Notar hätte noch neben dir“, wobei er missbilligend zu Anke hinüber sah, „die Wahrheit gekannt. Aber der unterliegt der Schweigepflic ht. Und ob du alles preisgegeben hättest, hätte in deinem Ermessen gelegen.“ Leonies Tränen waren während seiner Worte versiegt. Sie sah ihn an, als würde sie tatsächlich überlegen, was sie in dem Fall getan hätte. „Du bist klug, Leonie“, fuhr Lennart fort, „und hättest sicherlich die richtige Entscheidung getroffen.“ Seine Augen sahen sie durchdringend an. Was sollte er nun mit den beiden machen, fragte er sich dabei.
„ Ich werde auch jetzt die richtige Entscheidung treffen!“, antwortete Leonie in einem sachlichen, ungerührten Ton. Sie starrte den Mann an, den sie seit Kindesbeinen Onkel Lennart nannte. Es lief ihr kalt über den Rücken.
33
Leonie konnte den Blick nicht von Lennart abwenden. Für sie war ein Ungeheuer geworden. Und das öffnete plötzlich seinen Mund. „Wir sollten eine Spazierfahrt machen. In Ruhe überlegen, was nun zu tun ist, versuchte er, den beiden Frauen beizukommen. Leonie warf Anke einen raschen Blick zu.
„Wollen Sie uns etwa auch umbringen?“, reagierte diese. „Vielleicht gleich hier? Ziehen Sie gleich eine Knarre aus ihrer priesterlichen Hosentasche und legen uns um?!“ Der blanke Zynismus der Verzweiflung bestimmte den Tonfall ihrer Worte.
Lennart reagierte erst einmal nicht. Im nächsten Moment vernahm er ein Motorgeräusch hinter ihnen. Er dreht sich um. Die beiden Frauen folgten mit den Augen seiner Blickrichtung. Der Wagen fuhr zunächst an ihnen vorbei, zog aber dann einen Bogen und kam auf dem Parkplatz zum Stehen. Leonie erkannte Münch und seinen Assistenten im inneres des Fahrzeugs. Lennart wandte sich wieder zu ihnen, nachdem auch er die beiden Männer im Wagen erkannt zu haben schien. In seinem Blick lag etwas Gehetztes. Er sah aus wie ein in die enge getriebenes Tier, das verzweifelt Ausschau hielt, zu welcher Seite es ausbrechen konnte. Leonie registrierte, dass er mit zuckenden Mundwinkeln den beiden Beamten entgegen lächelte. Sie überlegte, was durch seinen Kopf ging und was sie mit ihm machen sollte. Niemand sollte wissen, dass er ihr Vater war. Ein Verbrecher vor dem Hintergrund der Kirche, der früher eine Frau, ihre Mutter, vergewaltigt, sich aus Feigheit und Karrieresucht freigekauft hatte und schließlich zum Mörder geworden war.
„Das ist ja schön. Treffe ich Sie sogleich alle zusammen“, eröffnete Münch statt einer Begrüßung. Der Assistent Brückner blieb diesmal nicht im Rücken seines Chefs stehen. Er lief mit ausladenden Schritten an Lennart vorbei und postierte sich auf die andere Seite, als hätte er von hier aus alles besser im Blick.
„ Haben Sie den Mörder gefunden?“, fragte Anke gekonnt spitz. Leonie bemerkte, wie sie dabei zu Lennart schielte, der sich sichtlich bemühte, einen unbeteiligt Eindruck zu geben. Nur das eingetretene Zucken unter seinem rechten Auge ließ Leonie erkennen, dass er innerlich sehr angespannt war. Sie erinnerte sich, dass sein Auge stets angefangen hatte zu zucken, wenn er übernervös war und unter Druck stand. Er musste damit rechnen, gleich vor den beiden Beamten entlarvt und von ihnen verhaftet zu werden. Sie war völlig überrascht, als Lennart plötzlich sagte. „Also dann, meine Herren, auf Wiedersehen.“ Er verbeugte sich kurz zu Leonie und Anke, „auf mich wartet noch viel Arbeit“, damit drehte er sich ab und wollte gehen. So eine Dreistigkeit, durchzuckte es Leonie. Warte nur.
„ Leonie ...“, flüsterte Anke ihr zu.
Leonie starrte auf seinen Rücken, starrte … starrte ... Pastor Lennart blieb unvermittelt stehen, versuchte vergeblich, einen weiteren Schritt zu machen. Es schien, als kleben seine Beine am Boden fest. Verdutzt schaute er sich um und verharrte auf der Stelle. Leonies Augen wurden zu Schlitzen, die Konzentration forderte all ihre Energie. Aber mit dem
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