Wir erklären den Frieden! (German Edition)
verleihen und den Vormarsch des Geistes zu beflügeln!
Sylvie Crossman / Jean-Pierre Barou
vom französischen Originalverlag Indigène
Unser herzlicher Dank gilt all jenen, die aktiv zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben:
in Zürich Kelsang Gyaltsen, dem EU-Gesandten des Dalai Lama, und seinem Assistenten Tenzin D. Sewo;
in Paris Wangpo Bashi vom Tibet-Büro;
im Shechen-Kloster, Nepal, Matthieu Ricard;
in Kötschach-Mauthen, Österreich, Jennifer Lorenzi.
WIR ERKLÄREN DEN FRIEDEN!
S TÉPHANE H ESSEL : Ich begegne nur selten einem Mann des Glaubens. Sie sind mir die liebste Heiligkeit, ich habe keine andere außer Ihnen, und so möchte ich Ihnen etwas verraten. Als wir 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verfassten, stellten wir uns folgende Frage: Sollte von Gott die Rede sein? Einige waren der Ansicht, dass wir uns im Rahmen unseres Handelns durchaus auf Gott berufen sollten. Andere verwahrten sich gegen jeden Gottesbezug, wie beispielsweise Professor Peng-chun Chang, Philosoph, Dramatiker und Konfuzius-Spezialist, der damals nicht das China Maos vertrat, sondern das seines Gegners, des Nationalisten Tschiang Kai-schek. Ein Gesandter des Vatikans, der als Beobachter zugegen war, half uns aus der Verlegenheit: »Reden Sie nicht von Gott, sondern von Würde.« Und tatsächlich werden Sie bei Lektüre der Präambel feststellen, dass dort auf die »angeborene Würde … aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen« verwiesen wird. Damals war uns nicht bewusst, dass die Gemeinschaft der Menschen in wechselseitiger Abhängigkeit von Umwelt und Natur lebt. Wir gingen von unerschöpflichen Energieressourcen aus, die sich weiterhin bedenkenlos ausbeuten ließen. Heute wissen wir, dass sieben Milliarden Erdenbürger binnen zwanzig Jahren in eine beispiellose Krise geraten werden. Wir können nicht mehr sagen: »Wir lieben Paris und wollen die Stadt vor dem Schlimmsten bewahren.« Wir können Paris nicht aus dem Zusammenhang lösen, die gesamte Umwelt ist betroffen. Wir müssen den Begriff der Würde auf die Natur ausdehnen. Denn auch die Natur kann sich empören, auch sie nimmt Schaden.
D ALAI L AMA : Ich bin ein buddhistischer Mönch, ein Mann des Glaubens, ja, und strebe daher nach einem harmonischen Miteinander der Religionen. Doch wenn ich mich vorstellen soll, sage ich: Ich bin einer von sieben Milliarden Menschen, die diesen Planeten bevölkern, und als solcher habe ich mir vorgenommen, mich für die Menschheit einzusetzen. Weder für eine Nation noch für eine Regierung, sondern für die Menschheit im weitesten Sinne und darüber hinaus für die Erde, die wir mit den Tieren und Pflanzen teilen und die unser einziges Zuhause ist. Im Buddhismus vertreten wir die Auffassung, wie auch einige Ihrer Philosophen, dass die Tiere Freude und Leid empfinden und sie demnach ein Bewusstsein haben. Was die Pflanzen angeht, wird seit zweitausend Jahren darüber debattiert, ob sie empfindsam sind oder nicht 1 . So oder so haben die Pflanzen das Recht zu überleben. Ursprünglich waren wir eins mit der Natur, und obwohl wir uns durch die modernen Technologien von ihr entfernt haben, tragen wir diese Naturverbundenheit noch in uns, sie liegt uns im Blut. Sie lebt wieder auf, sobald wir Wiesen, Wälder, Blumen sehen. Dieser Anblick löst bei uns ein Gefühl von Frieden und Glück aus.
Über wechselseitige Abhängigkeiten
S. H.: Ein ganz wesentlicher Aspekt. Dem jüdischen und christlichen Glauben zufolge hat Gott den Menschen mit der Aufgabe betraut, jeden einzelnen Bestandteil der Natur zu benennen: Dies ist ein Wald, dies ist ein Baum … In meinen Augen ist das kein guter Ansatz. Der Mensch ist nicht Herrscher über die Natur, er ist nur ein Teil von ihr. So gesehen dürfte der Geist, der in der Welt wirkt, nicht bloß den Menschen eignen. Der Mensch kann ihn ein Stück weit erfassen, aber der Geist gehört ihm nicht allein.
D. L.: Im Buddhismus, und das gilt auch für den Jainismus – eine andere uralte indische Tradition –, gibt es keinen absoluten Schöpfer, kein vollkommen unabhängiges Wesen. Nur Ursachen und Bedingungen. Alles hängt mit allem zusammen. Das einzige Gesetz, das unser Leben bestimmt, ist das Kausalitätsgesetz. 2
S. H.: Weder Anfang noch Ende, alles ist im Fluss …
D IE H ERAUSGEBER : Das bedeutet, je nachdem, ob man sich in einem jüdisch-christlichen oder buddhistischen Umfeld befindet, kann dieses Prinzip der wechselseitigen Abhängigkeit anders aufgefasst
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