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Wir erklären den Frieden! (German Edition)

Wir erklären den Frieden! (German Edition)

Titel: Wir erklären den Frieden! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stéphane Hessel , Dalai Lama
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ein schwerwiegendes Problem, denn sie ist eine unerschöpfliche Quelle von Streit und Krieg. Nehmen wir den Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan, den israelisch-palästinensischen Konflikt, den Terrorismus. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird die Lage nicht mehr zu retten sein. Diese wachsende Kluft zwischen denen, die alles besitzen, und denen, die nichts haben, verursacht ein Leid, das sich auf alle auswirkt. Wir fordern nicht nur Mitgefühl für die Betroffenen, wir fordern auch mehr Einsatz für soziale Gerechtigkeit.
    S. H.: Ich denke, die Achtung der Würde aller kann heute über das Völkerrecht durchgesetzt werden. Wir leben in einer Welt internationaler Institutionen. Seit 1945 leben wir mit der Charta der Vereinten Nationen. Die Israelis sagen, dass Gott ihnen das Land, ihnen Hebron gegeben hat. Ich sage hingegen: Die Charta der Vereinten Nationen hat euch das Land nicht gegeben. Als Mitglied der Vereinten Nationen müsst ihr euch an die Charta halten, an die Erklärung der Menschenrechte, an die sozialen und kulturellen Rechte, die sie verkündet. Das Völkerrecht muss vor dem nationalen Egoismus Vorrang haben. Wenn ein Staat, so wie China, gegen das Recht eines Volkes auf die eigene Kultur verstößt, müsste dieser Staat gezwungen werden, das Völkerrecht einzuhalten, anstatt egoistische nationale Interessen zu verfolgen.
    D. L.: Völlig richtig!
    Die Praxis der Gewaltlosigkeit
    D IE H ERAUSGEBER : Der Arabische Frühling hat uns einerseits das gezeigt, was der amerikanische Präsident Obama eine gewaltfreie Revolution nannte – im Fall von Tunesien und Ägypten, wo das Internet auf ganz neue und intensive Weise genutzt und ein riesiger gemeinschaftlicher Kommunikationsraum geschaffen wurde –, im Fall von Libyen kam es andererseits zu Militärinterventionen, die von den Verantwortlichen als »humanitäre Kriegseinsätze« bezeichnet wurden. Dieser Begriff kommt uns äußerst widersprüchlich vor. Sind die Menschenrechte nicht untrennbar mit Gewaltlosigkeit verbunden?
    D. L.: Natürlich. Die Menschenrechte bedeuten Wahrung menschlichen Lebens und menschlicher Würde.
    S. H.: Die Verteidigung der Menschenrechte ist per se gewaltlos. Werden diese Rechte aber mit Füßen getreten, kann das zu Gewalt führen. Und da kommt dem Begriff »Respekt« eine große Rolle zu. Wir brauchen Toleranz und Respekt. Niemand hat das Recht zu sagen: Werden »meine« Menschenrechte verletzt, setze ich mich mit Gewalt zur Wehr. Genauso wenig darf man sich empören, um ureigene Interessen zu vertreten. Empören soll man sich um menschlicher Werte willen, die uns alle angehen.
    D. L.: Wenn die Umstände ein hartes Vorgehen erfordern, wenn es nicht die geringste Alternative gibt, kann eine bestimmte Handlungsweise den Anschein von Gewalt erwecken, ohne im Kern gewaltsam zu sein. Theoretisch ist das durchaus denkbar. In der Praxis ist das nicht so leicht. Dann ist die einzig mögliche Unterscheidung zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit der Beweggrund. Daher halte ich die Korruption, die unsere moderne Welt verseucht, auch für eine Form von Gewalt. Es geht dabei um Lug und Trug, die im Kern gewaltsam sind.
    D IE H ERAUSGEBER : Heißt das, man kann mit gewaltfreier Gesinnung gewaltsam handeln?
    D. L.: Theoretisch ja, aber in der Praxis stellt sich das schwierig dar, wie ich eben ausgeführt habe.
    D IE H ERAUSGEBER : Gandhi sagt sogar: »Wo man nur die Wahl hat zwischen Feigheit und Gewalt, würde ich zur Gewalt raten.« Als Beispiel führt er ein Gespräch mit seinem ältesten Sohn an. Der wollte wissen, wie er sich hätte verhalten sollen, als sein Vater 1908 einem Attentat zum Opfer fiel. »Ich habe ihm geantwortet, er hätte mich beschützen müssen, auch um den Preis eines gewaltsamen Vorgehens.« 6
    D. L.: Zu dieser Frage gibt es auch eine buddhistische Parabel. In einem früheren Leben war der Buddha einmal Kapitän eines Schiffes mit 500 Mann Besatzung. Er bekam Wind davon, dass einer von ihnen vorhatte, die anderen 499 zu töten, um ihre Habseligkeiten zu rauben. Dreimal versuchte er, den Mann davon abzubringen, aber der hielt an seinem Plan fest. Da stellte der Buddha folgende Überlegung an: »Wenn ich ihn nicht töte, werden die anderen 499 sterben. Doch wenn ich ihn töte, nehme ich das schlechte Karma in Kauf, das die Ermordung eines Menschen mit dem Ziel, 499 Menschenleben zu retten und denjenigen vor dem Verbrechen zu bewahren, 499 Menschenleben auszulöschen, nach sich zieht. Aber wenn ich ihn

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