Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
verbringen konnte! Keine Cadierbar und kein Restaurant auf der Veranda. Übrigens auch keine Gans oder Baumkuchen. Märtha wälzte sich im Bett hin und her und konnte nicht einschlafen. Es war warm, und leider konnte sie hier kein Fenster kippen. Schließlich war sie im Gefängnis. Sie schob die Decke fort, schüttelte ihr Kopfkissen auf und legte sich wieder hin. Der Schlaf kam und ging, denn die Gedanken an Liza hielten sie immer wieder von der nächtlichen Ruhe ab. Vielleicht war es töricht gewesen, sich mit ihr anzulegen, doch in dem Moment, als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie eine merkwürdige Abneigung ihr gegenüber verspürt. Nun ja, so war es nun mal, und morgen würde sie für alle den Tisch decken.
Als Liza am nächsten Tag in die Küche spazierte, tat sie so, als würde sie Kaffeebecher und Teller an ihrem Platz nicht bemerken. Sie setzte sich an den Tisch und begann zu frühstücken. Wie immer sprach sie kaum und begrüßte Märtha auch nicht. Sie hielt die Hände um den Kaffeebecher geschlossen und warf von Zeit zu Zeit einen Blick aus dem Fenster. Märtha fragte sich, was mit ihr los sei, denn man konnte von weitem sehen, dass es ihr nicht gutging. Ihre Gesichtszüge waren angespannt, die Haut aschfahl, und der Blick ging irgendwie ins Leere. Wenn sie jemand ansprach, brummte sie etwas oder antwortete gar nicht. Als sie kurz darauf im Gymnastikraum waren, beschloss Märtha nachzufragen.
»Hallo«, sagte Märtha.
»Scheiße, bist du auch hier.«
»Auch Dinosaurier müssen sich fit halten.«
Ein paar junge Frauen kamen herein und gingen direkt an die Geräte. Liza ignorierte sie, nahm sich eine Gymnastikmatte und begann mit sit-ups.
»Du bekommst Freigang, habe ich gehört«, sagte Märtha nach einer Weile, als Liza eine Pause machte.
Als Antwort gab Liza ein Grunzen von sich.
»Freust du dich nicht?«
Liza legte sich der Länge nach auf die Matte und machte nun Liegestütze. Märtha zuckte mit den Schultern und nahm sich ein paar Hanteln.
»Ach weißt du, wenn ich Freigang bekomme, dann weiß ich gar nicht, wohin«, machte sie einen neuen Anlauf nach einer Weile. »Ich bin ja aus dem Altersheim weggegangen und Gott weiß …«
Liza, die gerade auf dem Weg zum Zirkel war, hielt inne.
»Willkommen im richtigen Leben. Wir hier haben alle unsere Wohnungen verloren. In der Werkstatt verdienen wir so viel, dass es für Süßigkeiten und Zigaretten reicht, mehr nicht. Wenn wir draußen keine Eltern oder einen Kerl haben, sind wir geliefert. Dann wundern sich die Behörden, dass wir wieder kriminell werden.«
Darüber hatte Märtha noch nie nachgedacht. Wie sollte man da je wieder ein normales Leben führen können, wenn man entlassen wurde?
»Du hast schon einiges erlebt, stimmt’s?«, fuhr sie fort.
»Darüber will ich nicht reden.«
»Aber …«
Liza stand auf und verließ den Raum.
In den nächsten Tagen führte Liza ihr Regiment wie gewohnt und ließ Märtha komplett links liegen. Das blieb so, bis Märtha erfuhr, dass der Kaugummi Freigang bekommen hatte und sich freute. Einen Tag, bevor Liza das Gefängnis verlassen durfte, trafen sie in der Waschküche aufeinander. Märtha zuckte.
»Jetzt hast du’s mit der Angst bekommen, was?«, sagte Liza, als sie Märtha erblickte. Die junge Frau stand in einer Ecke und wartete darauf, dass die Maschine fertig schleuderte. Sie schlüpfte an Märtha vorbei und postierte sich so, dass sie die Tür versperrte. »Das glaubt man ja nicht. Du wagst dich allein so weit heraus?«
Das Deckenlicht war spärlich, und es roch nach nasser Wolle und Waschmittel. Der Boden war nass, und ein Wäschekorb lag umgekippt in einer Ecke. Märtha gab sich unbeeindruckt, doch ihr Herz pochte schneller als normal. Sie war in den Waschkeller gekommen, um festzustellen, ob sie die Maschinen ohne fremde Hilfe bedienen konnte. Mit Liza hatte sie überhaupt nicht gerechnet.
»Läuft diese Waschmaschine gut?«, fragte Märtha und nickte zu dem Gerät direkt vor ihr. Sie hoffte, dass ihre Stimme ganz normal klang.
»Schau doch nach. Steck den Kopf rein, dann schalte ich an«, antwortete Liza und steckte sich eine Zigarette an.
Märtha ignorierte die spitze Bemerkung, räusperte sich und begann von dem Qualm zu husten.
»Ist das deine Wäsche?«, fragte sie und zeigte auf eine Maschine, die gerade wusch.
»Ja, und ich wasche noch fertig.«
Märtha machte einen Versuch hinauszugehen, doch Liza verstellte ihr den Weg.
»Hinseberg ist mein Aquarium,
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