Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
beide was davon.«
»Ich weiß nicht, wir sind ja zu mehreren. Ich kann das nicht allein entscheiden«, antwortete Märtha.
»Du, das ist mir egal. Du hast schon genug erzählt, dass ich das Ding auch alleine hinkriege. Du hast wohl nicht gedacht, dass ich etwas abgeben würde? Lektion eins hier ist, dass man nicht zu viel sagen darf. Und man sollte keinem vertrauen.«
»Aber …«
»Sorry.« Liza ging zu ihrer Waschmaschine und nahm ihre Wäsche heraus. »Bitte schön, du bist dran, dumme Ziege.«
In der Nacht vor dem Freigang bekam Liza plötzlich wahnsinniges Bauchweh. Sie lag den ganzen Tag im Bett und den nächsten Tag auch, und so kamen sie und der Wärter nicht aus dem Haus. Keiner außer Märtha wusste, was los war. Sie hatte noch ein bisschen was von Kratzes Kräutern übrig gehabt. Denn niemand hatte den Abstandhalter im Rollator gefilzt.
51
Es war nicht ganz einfach gewesen, und so hatte es eine Weile gedauert, bis Petra ausgetüftelt hatte, wie sie es anstellen sollte. Aber sobald die zwei verschwunden waren und sie sich wieder allein im Nebengebäude befand, ging sie ans Werk. Von den Bauarbeitern lag noch Isoliermaterial herum, eine Rolle Schutzfolie, Müllsäcke und noch einiges anderes. Schnell wickelte sie beide Bilder in Schutzfolie ein und steckte sie zusammen mit Isoliermaterial, alten Zeitungen und anderem Abfall in einen Müllsack. Dann verstaute sie alles auf der Toilette. Der Müll wurde erst am Freitag abgeholt, bis dahin brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Nun hatte sie 24 Stunden Zeit, um die Bilder aus dem Grand Hotel zu schmuggeln.
Als sie sich auf den Weg machte, verabschiedete sie sich wie immer an der Rezeption und ulkte noch mit den Wachmännern herum. Dann fuhr sie mit der U-Bahn los. Auf dem Weg zur Universität war sie richtig unter Strom und überlegte, was alles schiefgehen könnte, doch dann redete sie sich ein, dass es klappen würde. Sie dachte an ihre Eltern, die so große Erwartungen in sie setzten.
»Meine ordentliche Kleine«, pflegte ihre Mutter zu sagen. Und ihr Vater, der immer mit ihr prahlte! Wenn die wüssten, was sie da tat. Wenn es schiefging, dann hatte sie verspielt. Die Eltern hatten ihr auch früher nie geholfen und würden das jetzt sicher auch nicht tun. Die Mutter meinte es gut, doch sie hatte eine labile Gesundheit, und ihr war es schon mit Petra zu viel geworden, als sie noch zu Hause gelebt hatte. Und der Vater brauchte Kinder wohl nur, um mit ihnen anzugeben. Er hatte in einem Geschäft für Funk- und Fernsehtechnik gearbeitet, und hätte er nicht viel geerbt, hätten sie es sich nie leisten können, nach Stockholm zu ziehen. Er war der Erste in seiner Familie, der studiert hatte. Wenn er erfahren würde, dass sie Bilder im Wert von dreißig Millionen Kronen versteckt hielt, würde er auf der Stelle in Ohnmacht fallen. Nein, er bekäme wohl gleich einen Herzinfarkt.
Als sie am nächsten Tag Mittagspause hatte, flitzte sie hinüber ins Schloss, kaufte eine Eintrittskarte zur Rüstungskammer, aber ließ die Ausstellung links liegen. Stattdessen hielt sie sich ein bisschen im Museumsshop auf und sah alle Bilder und Plakate durch, auf denen das Königspaar abgebildet war. Nachdem sie eine Weile gesucht hatte, entschied sie sich für einen Farbdruck mit dem König in Uniform und einen zweiten, auf dem König und Königin abgebildet waren. Sie kaufte sie und steckte die Bilder sicherheitshalber in eine Papprolle, bevor sie zum Hotel zurücklief.
Am Nachmittag war Petra immer wieder im Anbau unterwegs und kontrollierte, ob noch alles an Ort und Stelle war. Als sie fertig geputzt hatte, wartete sie noch eine halbe Stunde länger, bis die Bauarbeiter Feierabend machten, und nahm dann den Fahrstuhl zum Anbau. Vorsichtig öffnete sie die Tür und stand da eine ganze Weile still, bis sie sich vergewissert hatte, dass sie wirklich alleine war. Der Barkeeper würde seinen Job erst in zwei Stunden antreten, also hatte sie genug Zeit. Als sie sicher war, dass niemand kam, holte sie die Gemälde und legte den Monet auf die Werkbank. Es war gar nicht leicht, den Bilderrahmen zu lösen, sie brauchte Keil und Beißzange, ehe es ihr gelang. Danach hob sie den Farbdruck mit dem König in Uniform auf das Bild von der Scheldemündung und tackerte es fest. Dann schob sie es wieder in den Rahmen, befestigte ihn und stellte das Bild an die Wand. Sie trat ein paar Schritte zurück. Er sah richtig adrett aus, der König, wie er so dastand in seiner grauen
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