Wir haben gar kein Auto...
fest, und Christian, typisch Arzt, der er ist, erteilt Ratschläge, wie viel Milligramm Magnesium wir täglich schlucken sollen, um keinen Muskelkater zu bekommen. Uschi füllt mir ein kleines Cremedöschen von ihrer Penatencreme ab, für den Popo, und versichert mit triumphierendem Gesicht, dass ich ihr noch dankbar sein werde auf der Reise.
Werde ich auch, weià ich aber jetzt noch nicht. Doch davon später mehr.
Wieder mit Winken und zahlreichen Gute-Reise-Wünschen gehtâs weiter durch das Würmtal. Irgendwie habe ich das Gefühl, alle denken, sie sehen uns nie wieder, so mitreiÃend fallen die Verabschiedungen aus. Die StraÃe ist gerade und flach, meine Geschwindigkeit konstant, und so könnte ich das gleichmäÃige Treten in die Pedale allmählich genieÃen, würde ich nicht bemerken, dass Brunos Abstand zu mir immer gröÃer wird und ich an der nächsten Kreuzung warten muss. Mein Fluss ist unterbrochen, und während ich warte, denke ich an unsere Freunde Mela und Harry in Krailing, die sich bestimmt über einen Kurzbesuch freuen würden. Harry ist Musiker und kennt sich mit Ton gut aus, vielleicht hat er ja ein neues Kabel oder Batterien oder kann Bruno zumindest helfen, die Sache in den Griff zu kriegen.
Diese Ankündigung zaubert ein glückliches Lächeln auf Brunos Gesicht, und sofort tritt er ein wenig schneller in die Pedale.
»Wie weit ist es denn zu den beiden?«, fragt er.
»Na, da vorne um die Ecke, und wir sind da«, erwidere ich.
»Ja, das würde noch gehen«, meint er.
Oje, wir sind grad mal zehn Kilometer unterwegs, und der braucht schon âne Pause, das kann ja heiter werden, nagt es in mir.
Unsere Freunde sind da. GroÃe Begeisterung. Auch hier wird sofort die Kamera gezückt, und von allen Seiten werden wir siegessicheren Blickes verewigt. Männerfachgespräche über Kabel und Hightech fressen kostbare Minuten auf, während ich mit Mela den Obst- und Gemüsebestand des Gartens betrachte. Endlich, nach geraumer Zeit, ertönt das Ergebnis der männlichen Krisensitzung.
»Der Harry hat zwar andere Batterien reingetan und mir ein neues Kabel geschenkt, aber geholfen hat das auch nichts.«
Klasse, super, toll! Und was jetzt?
So, und nun muss ich über einen Charakterzug meines italienischen Lebenspartners reden.
Wenn ein Problem unlösbar erscheint, legt sich eine Melancholie der Resignation auf die Seele meines Liebsten, umfängt ihn und hält ihn fest, verschlieÃt seine Augen vor Schönem, und es braucht Stunden, um die Seele wieder freizulassen. Es ist so, und ich kann es nicht ändern, meint sie zu sagen. Genau wie die alte Stadt Rom, die immer mehr zerfällt und über die die Römer sagen, sie bestehe nun schon seit zweitausend Jahren, also werde sie auch weitere zweitausend Jahre bestehen, sie werde schon überleben.
Nein, das ist ganz anders als bei uns im korrekten Deutschland, wo gebuddelt, ausgebessert und instand gesetzt wird. Da hat man nicht so viel Zeit, wir sind ja auch jünger, also wollen wir es immer gleich wieder schön haben, wennetwas zerfällt oder kaputtgeht. So bin auch ich. Wenn etwas nicht klappt, finde ich einen Ausweg und mache es halt anders. Ist dann vielleicht nicht so, wie ich es mir erhofft hatte, aber könnte ja auch einen anderen besonderen Reiz bekommen, der eventuell sogar besser ist. In jedem Fall lasse ich mir meine Laune nicht verderben.
Minimum fünfundvierzig Kilometer liegen noch vor uns, es ist inzwischen 12.00 Uhr vorbei, und ich will jetzt endlich mal richtig losfahren. Auf gehtâs, Bruno, satteln wir die Hühner. Ob er jetzt noch murrt oder mault â mir ist das wurscht, allmählich reichtâs. Optimismus und Heiterkeit versprühend, auch wenn sie nur aufgesetzt sind, treten wir in die Pedale, und es geht einen kleinen Hügel hoch. Erstes Vorgefühl: kein Problem, ich bin fit wie ein Turnschuh.
Da sich mittlerweile ein leicht flaues Hungergefühl im Magen breitmacht, wir den angebotenen kleinen Snack aus Zeitgründen abgelehnt haben und weil es eh von mir geplant war, ist unser nächstes Nahziel das Kloster Andechs. Berühmt für exzellentes Bier, Brotzeit und die barocke Klosterkirche mit Kreuzgang. Ein bisserl Kultur möcht schon sein. Aber noch sind wir lange nicht da.
Sanft hügelig, auf asphaltierter StraÃe, die Sonne im Zenit, können zwanzig Kilometer ganz
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