Wir haben keine Angst
vorher«, sie winkt ihn zu sich zurück. »Dann lieber ganz nah.«
*
Machen wir es also kurz. Unser Angstmacher Nummer vier ist der begründetste, der logischste, der berechtigtste, den wir mit uns herumtragen. Im Gegensatz zu allen anderen geht es in seinem Fall nämlich nicht um Eventualitäten und deshalb auch ausnahmsweise einmal nicht um Zweifelmonster. Sondern um die Urangst angesichts von etwas, das unabwendbar passieren wird, das sogar schon dabei ist zu passieren. Dessen Konsequenzen für uns aber schier unvorstellbar sind.
Es geht um unsere Angst, so richtig erwachsen zu werden.
Nicht etwa, weil wir unreif oder pubertär wären. Sondern, weil wir uns damit eingestehen würden, dass die Zeit gar nicht stehenbleibt. Dass sie sich weiterdreht. Überall. Sogar in unseren Höhlen.
Wir müssten uns dann klarmachen, dass die vergehende Zeit deshalb nicht nur uns erwachsen, sondern auch unsere Eltern älter werden lässt. Und dass das bedeutet, dass sie irgendwann einfach nicht mehr da, dass sie weg sein werden. Und dass unsere Flatrate auf Liebe, Freundschaft und Sicherheit in Wirklichkeit gar keine ist. Sondern, dass auch sie endlich ist. So wie wir. Und wie unsere Eltern.
Aber wie gesagt, darüber können und wollen wir nicht nachdenken. Der Gedanke ist schlichtweg zu ungeheuerlich. Und der Panikflash, den er auslösen würde, ließen wir ihn auch nur einen Moment zu nahe an uns herankommen, wäre es auch. Er würde tiefer gehen als alle anderen zuvor. Unsere Welt wäre so erschüttert, dass wir vermutlich einfach nur durchdrehen würden. Dass wir den Boden unter den Füßen verlieren und drohen würden, radikal zusammenzubrechen.
Dann müsste uns jemand wirklich ganz schnell nach Hause bringen. Und dort, in unseren Höhlen, müssten wir unsere Köpfe dann erst einmal ziemlich tief und ziemlich lange in unseren Kinderbettkissen vergraben. Und zwar tiefer und länger als je zuvor. Eben so tief und so lange, bis die Angst uns nicht mehr lähmen würde. Bis wir uns endlich wieder beruhigt hätten. Oder es Abendessen gäbe.
Was soll bloß aus uns werden?
Politik:
Die Angst vor dem Statement
»Westerwave – no one can reach me the water«
Facebook
Wir sind dagegen.
Wir sind dagegen, dass man noch länger so tut, als seien wir verdrossen.
Wir sind dagegen und wir lehnen es ab, dass man uns weiterhin so behandelt, als hätten wir null Ahnung von nichts. Als seien wir alle komplett naive, denkfaule, uninformierte, konsumgeile Individuen ohne jeglichen Sinn für das, was richtig oder falsch ist; desinteressierte, verzogene Kinder, die völlig kopf- und meinungslos durch eine Welt spazieren, der gegenüber sie sich komplett indifferent verhalten, solange es nur ihnen selbst gutgeht.
Wir sind dagegen, weil das alles nicht stimmt.
Denn ob man es nun glauben mag oder nicht: Auch wir gucken regelmäßig die Tagesschau. Auch auf der Lesezeichen-Leiste unserer Browser ist mindestens eine Nachrichtenseite gespeichert. Und ja, auch wir lesen Zeitung. Manchmal verrückterweise sogar den Politikteil. Und ab und an, unglaublich aber wahr, haben wir uns auch schon mal in den Seiten des Feuilletons verirrt.
So ganz doof und verdrossen
können
wir also gar nicht sein. Und gänzlich unpolitisch sind wir auch nicht.
Wir sind einfach nur still.
*
»Ach, ich weiß es doch auch nicht«, seufzt Bastian entnervt. Frustriert blickt er zu Herrn G. hinüber.
»Aber letztes Mal haben Sie sich doch so gefreut über Ihre gute Note?«, fragt Herr G. verständnislos. »Und ja auch nicht zu Unrecht, oder?« Er lächelt Bastian aufmunternd zu.
»Ja, dachte ich ja auch … Also, ich
habe
mich da ja auch gefreut. Und ich glaub, das war ja auch irgendwie wichtig für mich, mir zu beweisen, dass ich auch mal was fertigkriegen kann und vorankomme und das auch noch mit einem ganz guten Feedback und so«, Bastian schüttelt den Kopf. »Aber irgendwie …«
»Irgendwie was?«, unterbricht Herr G. ihn.
»Naja, irgendwie freut man sich dann halt so und ist derbe enthusiastisch«, Bastian wippt mit dem Kopf, als würde er laut Musik hören. »Und das hält dann ein, zwei Stunden oder auch Tage an. Alles ist total super. Und dann«, Bastian schlägt mit seiner rechten zur Faust geballten Hand in die offene Linke, »dann geht’s so
bam
, direkt nach unten. Und zwar viel tiefer, als man vorher war. Weil man dann plötzlich denkt, Alter, was
machst
du hier? Was
denkst
du eigentlich, wer du bist? Was konstruierst’n du dir hier für’n
Weitere Kostenlose Bücher