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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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    »Also Helga«, setzt Ulla erneut an, »will nun also auch diesen Jakobsweg pilgern.« Sie schiebt sich eine Locke hinters Ohr. Anna lächelt. Seit Ulrike ihre Haare färbt und dreimal die Woche zum Power-Yoga geht, sieht sie besser aus als je zuvor. Sie ist fitter als je zuvor. Während alle anderen in ihrer Yogagruppe den »Delphin« turnen, hat sie Anna letzte Woche stolz berichtet, steht sie problemlos minutenlang auf dem Kopf im »Skorpion«. Anna schafft weder die eine noch die andere Übung.
    Und auch sonst ist Ulrike fitter als Anna. Sie hat weniger tiefe Augenringe, keine Blasenentzündungen, keine Asthma- und keine Migräneanfälle. Und sie achtet auch besser darauf, dass sie immer genug trinkt.
    Anna spült die Schokolade mit einen großen Schluck Wein hinunter. Sie pult an der Plastikverpackung eines Buches, das neben den Zeitungen auf dem Tisch liegt. »Hast du schon wieder was publiziert, Papa?«
    Wolfgang setzt sich zurück an den Tisch. Er winkt ab. »Ach das. Naja, die Pappnasen von der Forschungsgemeinschaft brauchen immer irgendwelche Sammelbände, die sie sich dann ins Regal stellen können, weißt du ja.« Er bindet sich seinen Schlips ab und schmeißt ihn auf einen Stapel Zeitungen. »Ist alles Quatsch, ist für die Schublade, interessiert kein Schwein. Ich geb’ denen meinen Namen, schreib ’n schönes Vorwort und dann kann’s in den Papiermüll.«
    »Weißt du, Anna«, lächelt Ulrike liebevoll ironisch und streicht Wolfgang über die Schulter, »dein Vater nimmt jetzt nämlich nicht mehr alles so wichtig.«
    »Quatsch!«, ruft Wolfgang triumphierend. »Dein Vater hat diese Leute
nie
wichtig genommen«, lacht er.
    »Na gut. Also jetzt dann also eben gar nicht mehr«, lächelt Ulrike noch triumphierender. »Dafür ist die Zeit nämlich viel zu kostbar. Wir wollen unsere Energie schließlich noch in ganz andere Sachen stecken. Wir haben nämlich noch
ganz
viel vor!«, verkündet sie und hebt ihr Rotweinglas.
    *
    Bastian beendet seine Kellnertour am Stehtisch im Flur.
    »Und, was macht mein Neffe so?«, fragt Gerd, als Bastian ihm Prosecco nachschenkt.
    »Ja,
das
wüsstest du gerne, ne?«, grinst Bastian und stellt sich neben seinen Onkel.
    »Hihi«, kichert Gerds Frau Elisabeth beschwipst. Bastian wirft ihr einen abfälligen Blick zu. Dass sich sein Onkel vor zwei Jahren von seiner ersten Frau hat scheiden lassen, fand Bastian zwar genau richtig, so mies wie die Stimmung zwischen den beiden immer war. Und er hatte sich auch wirklich für Gerd gefreut, als der nur einige Wochen nach seiner gescheiterten Ehe verkündet hatte, erneut heiraten zu wollen. Aber so sehr Bastian sich bemühte, so ganz sein Fall war seine neue Stieftante nun wirklich nicht.
    »Bevor ich’s vergesse«, sagt Gerd, »Lisa und ich haben dir was ausgeschnitten, letztens, Bastian«, sein Onkel fasst seine Frau am Arm. »Lisa, oder? Der Artikel in der FAZ letztens, das war doch was für Bastians Thema?«
    »Nee«, sagt Elisabeth. »War da nicht auch mal was auf’m Deutschlandfunk zu?«
    »Also da in dem Artikel ging es jedenfalls um die Systemtheorie«, berichtet Gerd, »und ob das heute noch anwendbar ist oder so. Das war ganz spannend, so über Luhmann …«
    Lisa nickt, »Ah ja, genau,
Luhmann

    »Ich schreib die Hausarbeit aber gar nicht mehr über den«, unterbricht Bastian die beiden.
    »Ach so?«, Bastians Onkel zieht seine wild wuchernden grauen Augenbrauen hoch.
    Bastian nickt. »Ja, ich hab das Thema gewechselt. Aber danke trotzdem.«
    »Achtung, Gerd, die Teile sind höllisch scharf.« Elisabeth reißt ihrem Mann die Schale mit Wasabi-Erdnüssen aus der Hand und isst selber welche. »Weißt du denn schon, was du danach machen willst, Basti?«, fragt sie mit vollem Mund und verzieht ihr Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
    Bastian lächelt sie verständnisvoll an. »Scharf, ne?« Lässig wirft er sich drei Nüsse auf einmal in den Mund. »Also, früher dachte ich ja immer, ich werde Taxi-Fahrer. Und häng mir dann so mein Diplom ans Taxameter …«, er zwinkert Elisabeth zu, »aber im Moment bin ich jetzt hauptberuflich erstmal Prokrastinierer. Das läuft ganz gut.« Er grinst.
    »Was bist du?«, fragt sein Onkel und hält eine Hand hinter sein Ohr. »Ich glaub, das hab ich akustisch jetzt nicht verstanden.«
    »Das war ein Witz«, mischt sich Michi ein, der die leeren Teller abräumt, »Bastian will uns damit sagen, dass er eines schönen Tages auch noch seinen Abschluss machen

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