»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
Boden aufzuheben, ohne dass sie sich von mir bevormundet fühlen. Ich staune jedes Mal wieder darüber, wie ungern die Leute ihre Kinder hochheben und anschnallen, wenn die Anschnallzeichen angeschaltet werden, nur weil sie Angst haben, sie aus ihrem seligen Schlummer zu reißen. Ich habe sogar schon miterlebt, wie Säuglinge quer über den Gang gereicht oder zum Spielen auf den Schoß genommen wurden – mitten während eines Flugs! Noch schlimmer sind die Passagiere, die trotz der Anschnallzeichen aufstehen und in den Gepäckfächern herumkramen. Damit bringen sie nicht nur sich selbst, sondern auch alle im Umkreis Sitzenden in Gefahr. Und ich selbst kann ihnen nicht zu Hilfe eilen, weil ich angeschnallt auf meinem Klappsitz bleiben muss. Für mich hat oberste Priorität, selbst unverletzt zu bleiben, um im schlimmsten Fall die Notausgänge öffnen zu können. Genau aus diesem Grund lässt ein Kapitän, mit dem ich ab und zu fliege, die Anschnallzeichen am liebsten während des gesamten Flugs eingeschaltet. Er könne nicht vorhersehen, wann genau es ein bisschen unruhig werde, und wolle nicht, dass die Gänge ständig bevölkert seien, sagt er. Wann immer die Flugbegleiter ihm in den Ohren liegen, die Leute doch aufstehen zu lassen, erwidert er, die Passagiere würden die Zeichen doch sowieso ignorieren und aufstehen, wenn es ihnen gerade in den Kram passe. Er wolle nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie die Airline verklagten, weil sie hingefallen waren und sich verletzt hatten. Das kann ich nur allzu gut nachvollziehen.
Die Amerikaner lieben es, Fluggesellschaften zu verklagen. Eine Frau ging vor Gericht, weil auf ihrem Flug eine Videokassette mit den Bordfilmen aus einem Gepäckfach gefallen war und sie am Kopf getroffen hatte. Sie gab an, daraufhin ihre hellseherischen Fähigkeiten verloren zu haben. Während eines Fluges können nun einmal Dinge herunterfallen. Deshalb sollten Sie stets vorsichtig sein, wenn Sie die Gepäckfächer öffnen. Ein anderer Passagier verklagte die Airline, weil seine Frau die Scheidung eingereicht hatte. Scheidungsgrund: Der arme Mann war impotent geworden, nachdem eine Flugbegleiterin mit einer Papierserviette ein paar Spritzer Kaffee auf seinem Oberschenkel trockengetupft hatte. Es ist mir sowieso ein Rätsel, weshalb die Leute während eines unruhigen Flugs unbedingt ein heißes Getränk bestellen müssen. Im Jahr 2000 berichtete die Los Angeles Times über eine Gruppe von dreizehn Passagieren, die nach einer Turbulenz von genau achtundzwanzig Sekunden American Airlines verklagt hatten. Die Anschnallzeichen waren nicht angeschaltet gewesen. Es hatte sich zwar keiner von ihnen verletzt, aber sie behaupteten, ein psychisches Trauma erlitten zu haben, und forderten Schadenersatz in Höhe von 2,25 Millionen Dollar. Das Gericht gab der Klage statt, und jeder Einzelne von ihnen bekam 175 000 Dollar zugesprochen! Interessant an diesem Fall finde ich vor allem, dass zwei der Kläger mit einem oscarprämierten Regisseur verwandt sind. Da stellt sich einem doch die Frage, ob dies nicht zufällig Einfluss auf den Richterspruch gehabt haben könnte. An mir ging dieser Prozess jedenfalls nicht spurlos vorbei. Deshalb nehmen Sie es bitte nicht persönlich, wenn ich Sie höflich, aber bestimmt darum bitte, sich anzuschnallen, sobald das Zeichen leuchtet.
Wenn das Anschnallzeichen angeht, müssen wir überprüfen, ob auch alle Passagiere korrekt angeschnallt sind. Und das versuchen wir sogar dann noch, wenn die Turbulenzen eigentlich zu heftig dafür sind. Mary, eine ehemalige Flugbegleiterin, musste sich mehreren Operationen unterziehen, nachdem sie viermal während eines Fluges verletzt worden war. 1978 und 1999 erlitt sie einen Bandscheibenvorfall, nachdem sie während einer sogenannten Clear Air Turbulenz ( CAT ) an die Maschinendecke geschleudert wurde. CAT s werden meist von unvorhersehbaren, heftigen Windscherungen ausgelöst, die auch bei klarem Himmel jederzeit vorkommen können. Deshalb leuchten die Anschnallzeichen in solchen Fällen häufig nicht auf. 2001 musste sie nach einem weiteren Flug mit heftigen Turbulenzen erneut am Rücken und darüber hinaus am linken Arm operiert werden, 2008 folgten zwei weitere Operationen an der Hüfte. 2003 beschloss meine Fluggesellschaft, ihre Richtlinien für Arbeitsunfälle zu ändern. Um Gehaltsfortzahlungen aufgrund eines Arbeitsunfalls geltend machen zu können, mussten mit sofortiger Wirkung die Turbulenzen mindestens als
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