»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
mitzukommen, musste ich ihr diese Geschichte wohl oder übel abnehmen. Laut Mimi lief nichts zwischen ihr und 2A, aber Georgia glaubte ihr kein Wort. Was für ein Mann machte einer Frau luxuriöse Geschenke, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten? Ich musste ihr zustimmen. Vor allem, als ich Mimi vor dem Haus in eine schwarze Nobelkarosse steigen sah. Ich nahm mir vor, bei Gelegenheit nach einem eigenen »First-Class-Freund« Ausschau zu halten – nur sollte meiner nach Möglichkeit nicht verheiratet und unter fünfzig sein. Das Leben war schon kompliziert genug.
»Mir ist eiskalt«, jammerte Georgia und zog ihren hellblauen Frotteebademantel mit dem Wölkchenmuster enger um sich. Ihr Bett stand so dicht neben meinem, dass ich die Hand ausstrecken und ihre eisigen Finger berühren konnte. »Sollen wir nicht Victor bitten, die Heizung aufzudrehen?«, fragte sie.
»Mach du das. Auf mich ist er immer noch sauer.«
Mein Verhältnis zu Victor hatte schon seit einiger Zeit gelitten. Angefangen hatte es an dem Tag, als wir das erste Bündel Bargeld auf dem Fußboden im Flur gefunden hatten. Ich dachte mir nichts weiter dabei, bis Victor mir seine zwanzigjährige, bildhübsche Freundin vorstellte, die so durch den Wind war, dass sie kaum ein »Hallo« herausbrachte. Erst ein paar Tage später fiel bei mir der Groschen. Es war mitten in der Nacht und draußen tobte ein heftiger Sturm, der irgendetwas umriss und polternd zu Boden fallen ließ. In diesem Augenblick kam ein völlig aufgelöster Victor splitternackt und mit einem Gewehr in der Hand die Treppe heruntergestürmt. Es stellte sich heraus, dass unser Vermieter sich ein Zubrot als Drogendealer verdiente. Oder umgekehrt. Georgia und ich versuchten, die Situation zu entschärfen, indem wir scherzten, wir könnten uns das Geld ja unter den Nagel reißen und shoppen gehen, aber so richtig darüber lachen konnten wir nicht. Also entschieden wir, das Geld einfach zu ignorieren, so wie alle anderen im Haus anscheinend auch. Doch als ständig immer größere Beträge auftauchten, beschloss ich, Victor direkt damit zu konfrontieren. Ich wollte das Geld nehmen, die wacklige Treppe hinaufgehen, ihm das Bündel in die Hand drücken und seine Reaktion abwarten. Das wär’s. Dann würde ich wieder herunterkommen und Georgia alles erzählen. Anschließend würden wir überlegen, wie es weitergehen sollte.
»Herein!«, rief Victor, als ich an die Tür klopfte. Nichtsahnend trat ich ins Zimmer. Und stieß einen lauten Schrei aus.
»Was denn?«, blaffte er, als wäre ich verrückt und nicht dieser alte Mann, der splitterfasernackt auf einem Bärenfell stand und mich anstarrte. Ich wandte den Blick ab und lachte nervös, dann entschuldigte ich mich – eine Angewohnheit, zu der ich in peinlichen Situationen neige. Beispielsweise, wenn alte, nackte Vermieter auf Bärenfellen vor mir stehen. Ich drehte das Gesicht zur Tür und streckte den Arm mit dem Geldbündel zu ihm hin. Er sagte irgendetwas, allerdings habe ich keine Ahnung, was, da ich kehrtgemacht hatte und die Treppe hinuntergestürzt war, kaum dass er mir das Geld aus der Hand gerissen hatte.
Ich bin nicht sicher, was Victor so wütend gemacht hat: dass ich ihm sein Geld höchstpersönlich überbrachte und meine Mitwisserschaft offenbarte oder dass ich bei seinem Anblick aus Leibeskräften geschrien und somit den Verdacht nahegelegt habe, ihn unattraktiv zu finden. Schätzungsweise war es eine Mischung aus beidem. Wie auch immer. Jedenfalls sollte ich schnell herausfinden, dass mein Verhalten nicht ohne Folgen blieb. Seine eisigen Blicke waren erst der Anfang, denn bald begannen mich meine Zimmergenossinnen irgendwelcher Gemeinheiten zu bezichtigten, die ich nicht begangen hatte: Sie behaupteten, ich hätte ihre beschrifteten Lebensmittel aus dem Kühlschrank geklaut, obwohl ich nicht einmal die Küche betreten hatte. (Wozu sollte ich kochen, wo wir doch Dani’s House of Pizza und Austin’s Steak & Ale House direkt um die Ecke hatten und die Golden Fountain Kitchen die besten Spareribs und Frühlingsrollen der Stadt lieferte?) Doch als einer der Piloten im Haus, den ich gerade erst kennengelernt hatte, mich zur Rede stellte, weil ich ihn angeblich wegen sexueller Belästigung bei Victor angeschwärzt hatte – was niemals passiert war –, wusste ich, dass ich etwas gegen meinen verlogenen Vermieter unternehmen musste. Und zwar schleunigst.
Georgia und ich hatten uns den ganzen Monat lang nach einer neuen Bleibe
Weitere Kostenlose Bücher