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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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umgesehen, aber außer einem Kellerapartment in einem abrissreifen Haus war im Umkreis nichts zu finden gewesen, das wir uns hätten leisten können. Wenig später bekamen wir einen weiteren Tipp, der sich jedoch als Flop entpuppte, da das Zimmer bereits vor unserem Besichtigungstermin vermietet worden war. Es wurde dunkel. Wir hatten Bärenhunger. Auf dem Heimweg stolperten wir ins nächstbeste Restaurant, um einen Happen zu essen und einen Blick auf den U-Bahn-Fahrplan zu werfen. Und da saßen sie, an einem Zweiertisch in der Ecke eines winzigen Mexikaners. Wir hatten uns noch nie so gefreut, zwei Zivilpolizisten zu sehen. (Die Sakkos, unter denen sich die Umrisse ihrer Waffen abzeichneten, hatten sie verraten.) Kaum hatte die Kellnerin ein Körbchen voll schal schmeckender Chips serviert, kamen die beiden an unseren Tisch und stellten sich vor. Schon wenig später schütteten wir ihnen unser Herz aus und beschwerten uns bitter über Victors Machenschaften. Sie stimmten zu, dass dies wohl kaum eine sichere Umgebung für so viele junge Frauen sein könne, und versprachen, uns gleich am nächsten Tag einen Besuch abzustatten und nach dem Rechten zu sehen. Na ja, vorbei kamen sie tatsächlich. Doch statt sich Victor vorzuknöpfen, richteten sie sich auf dem alten Sofa im Wohnzimmer häuslich ein, leerten Georgias Getränkevorräte und glotzten unseren Mitbewohnerinnen auf den Hintern. Eine Enttäuschung auf ganzer Linie.
    Also beschloss ich, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, und rief bei Kew Gardens an.
    Eddie ging an den Apparat. »Und? Mal wieder auf dem Weg zur Arbeit, Schätzchen?«
    »Nein, heute nicht. Aber wir brauchen einen Wagen nach LaGuardia. Georgias Freund kommt zu Besuch.« Ich hielt inne. »Könnte Kent das vielleicht übernehmen?«, fragte ich unschuldig. Kent, der während des Tages als Rettungssanitäter und nachts als Taxifahrer arbeitete, war optisch nicht gerade Prince Charming, er sah eher aus wie Chewbaccas kleiner Bruder. »Und könnten Sie ihm vielleicht sagen, er soll an der Tür läuten … falls Georgia noch nicht fertig ist. Sie kennen sie ja!« Ich gab ein aufgesetztes Lachen von mir.
    Nach einem minutenlangen Hustenanfall räusperte sich Eddie. »Was zum Teufel heckt ihr jetzt schon wieder aus?«
    »Gar nichts!« An meinem künstlichen Lachen würde ich wohl noch arbeiten müssen.
    Bei unserer Ankunft in New York war uns die Bedeutung von Eddies Job für unseren Alltag noch nicht bewusst geworden. Doch schon bald stellten wir fest, dass unter den Fahrern ein stetes Kommen und Gehen herrschte, während die Leitung der Zentrale stets in denselben Händen blieb. Genauso wie die Mitarbeiter am Gate hat der Fahrdienstleiter die wahre Macht; er hält die Fäden in der Hand. Wenn er einen gut leiden kann, steht der Wagen zum Flughafen im Handumdrehen parat! Und das kann sehr viel wert sein, wenn es draußen schneit, man am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe am Flughafen sein muss oder dringend nach Hause will, weil es ein langer Tag war und die Füße weh tun.
    Stell dich mit dem Typen in der Zentrale gut – so lautet ein wichtiges Credo in unserer Branche.
    Wir konnten ja nicht ahnen, dass unsere erste, unendlich peinliche Begegnung mit Eddie unser ganzes Leben verändern sollte … Nachdem er uns am Flughafen hatte stehen lassen, war Eddie zurück in die Zentrale gefahren und hatte den anderen Fahrdienstleitern von den beiden Neuankömmlingen aus der Provinz erzählt. Die Männer hatten sich natürlich halb totgelacht, aber immerhin waren Georgia und ich so zu einer gewissen Berühmtheit unter den Fahrdienstleitern gelangt. Anfangs hielten sie überall nach uns Ausschau, weil sie uns unbedingt mal persönlich kennenlernen wollten, und nachdem sie uns gesehen hatten, begannen sie tatsächlich, sich um uns zu sorgen. Wenn ich Georgia nirgendwo finden konnte, rief ich bei Kew Gardens an. Irgendjemand wusste immer, wohin sie geflogen war und wie lange sie wegbleiben würde. Aber auch wir griffen den Jungs unter die Arme, es war ein Geben und Nehmen. Wenn einer von ihnen ein paar Flaschen Bier aus Deutschland haben wollte, rief er uns an. Und wenn wir nicht selbst hinflogen, baten wir eine Kollegin, sie uns mitzubringen. Wollten wir herausfinden, welche U-Bahn wir in die Stadt zu einer Verabredung nehmen mussten, erkundigten wir uns bei Kew Gardens. Wenn sie eine zollfreie Flasche Wodka brauchten, fragten sie uns. Wenn wir überlegten, ob die Gegend, in der wir uns mit jemandem

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