»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
verabredet hatten, auch sicher war, fragten wir sie. Kein Wunder, dass sie unsere Abflug- und Ankunftszeiten irgendwann besser als wir selbst kannten. Als einer unserer Lieblingsfahrer wegen Bankraubs in den Knast wanderte und sich herausstellte, dass er seine Geldforderung auf die Rückseite eines Stundenzettels von Kew Gardens geschrieben hatte, waren wir genauso schockiert wie die Jungs. Zu Weihnachten schenkten wir ihnen eine Stange Zigaretten und einen Geschenkgutschein von Dunkin’ Donuts, und wir bekamen eine Gratisfahrt zum Flughafen. Wir wuchsen zu einer großen glücklichen, fluchenden, kettenrauchenden, kaffeesüchtigen Familie zusammen, wenngleich weder Georgia noch ich fluchten, rauchten und Kaffee tranken – noch nicht.
Vielleicht das Wichtigste aber war, dass wir dank dem Kew Gardens Car Service nicht vom Q10 abhängig waren. Der Q10, der Flughafenbus, war der reinste Alptraum: Man brauchte die exakte Anzahl an Vierteldollarmünzen, um überhaupt einsteigen zu dürfen. Einmal drin musste man sich von den Busfahrern anpflaumen lassen, gefälligst sein Gepäck aus dem Weg zu nehmen, noch bevor man auch nur die Chance hatte, sich einen Sitzplatz zu suchen. Es war unerträglich. Um noch einen draufzusetzen, drückte eine Fahrerin (die mit den hochtoupierten Haaren) mit Vorliebe das Gaspedal bis zum Anschlag durch, so dass wir kreuz und quer durch den Gang taumelten und Mühe hatten, nicht auf die anderen Fahrgäste zu fallen. Unser Job war wirklich stressig genug, wir mussten uns nicht auch noch der nervtötenden Fahrerei mit dem Q10 aussetzen. Während die Mehrzahl unserer Kolleginnen den Bus nahm, um ihr Geld für wichtigere Dinge wie Maniküren und Drinks zu sparen, begannen Georgia und ich, uns selbst die Nägel zu lackieren und in preiswerten Kneipen wie Brother Jimmy’s BBQ in Manhattan essen zu gehen, wo man als Airline-Angestellter gegen Vorlage des Mitarbeiterausweises ein Gratisgetränk pro bezahltem Drink bekam. Auf diese Weise konnten wir uns die acht Dollar für die Fahrt mit Kew Gardens zum Flughafen leisten.
Als Kent also an besagtem Tag an der Tür läutete, ließ ich ihn herein und plauderte mit ihm in der Diele, während wir warteten, bis Georgia fertig war. Mein Plan war, dass Victor mitbekommen sollte, mit was für schrägen Typen ich herumhing. So würde er es sich künftig sicher gut überlegen, ob er mir weiter das Leben schwermachen wollte. Zwei Sekunden später kam er auch schon in seinen goldfarbenen Slippern die wacklige Treppe heruntergetappt, warf einen Blick auf Kent und ging wortlos weiter.
Als Georgia und ich die Gepäckausgabe erreichten, wo sie sich mit ihrem Freund verabredet hatte, ratterten die Koffer der Fluggäste bereits über das Band. Normalerweise wäre ich nie im Leben mitgekommen, aber Georgia hatte darauf bestanden, dass ich den künftigen Vater ihrer Kinder persönlich kennenlernte, bevor sich die beiden in ein Hotelzimmer in der Innenstadt zurückzogen. Jake, John, Jack oder wie auch immer arbeitete als Manager in einer Bar – oder war er Besitzer eines Restaurants? Keine Ahnung. Jedenfalls hatte er, als Georgia ihm am Telefon die Ohren vollheulte, wie sehr sie ihn und ihr Zuhause vermisse, spontan den Entschluss gefasst, am nächsten Tag zu ihr nach New York zu fliegen. Und nun war er da.
»O Gott, ich bin so was von nervös!«, säuselte Georgia und ließ aufgeregt den Blick über die wartenden Passagiere schweifen. Sekunden später stieß sie einen spitzen Schrei aus und stürzte auf das Gepäckband zu. Ich reckte den Hals, doch ein großer, hagerer Typ mit langen, fettigen Haaren stand im Weg und versperrte den Blick auf Mr Wonderful. Da er mich anlächelte, lächelte ich automatisch zurück, doch dieses Lächeln erstarb augenblicklich, als ich sah, wie Georgia sich in seine langen, dünnen Arme warf.
Bei mir lief es in Sachen Männern nur ein klein wenig besser. Endlich reagierte mein Freund auf meine zahllosen Andeutungen und machte mit mir Schluss. Gott sei Dank! Er hatte eine halbe Ewigkeit gebraucht, um zu kapieren, dass wir uns in absehbarer Zeit nicht sehen würden. Bei ihm war der Groschen, dass an »in absehbarer Zeit« nicht mein Beruf, sondern ich selbst schuld war, erst nach mehreren Anläufen gefallen. Männer!
Eine Beziehung mit einer Flugbegleiterin ist eine heikle Angelegenheit, weil unsere Arbeit nicht einfach nur ein schnöder Zeitvertreib ist. Sie ist eine Art Lifestyle. Viele Männer kapieren nicht, dass das einzig
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