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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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Rückkehr von unserem Weihnachtstrip beschloss ich, ebenfalls nach Hause zu fliegen. Nichts würde mich davon abhalten. Ebenso wie Georgia besaß auch ich eine Kreditkarte, und ich war wild entschlossen, diese auch zu nutzen. Doch statt der Mitarbeiterin in der Reservierungszentrale die Nummer durchzugeben, legte ich den Hörer auf.
    »800 Dollar! Für einen einfachen Flug von New York nach Dallas! Das kann ich nicht glauben!« Na ja, glauben konnte ich es schon, ich wollte es nicht. Die Gratisflüge waren einer der Hauptgründe für meine Jobwahl gewesen, und jetzt sollte ich 800 Dollar zahlen, die ich überhaupt nicht besaß.
    »Keine Sorge, bald können wir ja kostenlos fliegen. Nur noch … oh … sechs Monate.« Mimi, eine unserer zahlreichen Mitbewohnerinnen, saß mit einer Glamour, die sie auf ihrem letzten Flug nach Los Angeles an Bord gefunden hatte, auf ihrem Bett am anderen Ende des Raums. Obwohl sie nur drei Wochen länger in New York war als wir, wirkte sie wesentlich abgeklärter und erfahrener. Auch wenn es keine von uns zugeben wollte, vor allem Georgia nicht, sahen wir zu dem Mädchen mit dem schicken blonden Bob auf, das gleich am ersten Tag eine Schicht in einer 767 absolviert hatte und bis heute mit Begeisterung davon erzählte. Ich konnte gar nicht sagen, wie sehr ich mich davor fürchtete, auf eine 767 gesetzt zu werden. Mein katastrophaler DC 10-Flug hatte mich regelrecht traumatisiert. Nie wieder wollte ich in einer Großraummaschine fliegen.
    Georgia schüttelte den Kopf, so dass ihre Thermowickler wippten. »Es ist echt unfair, dass wir noch sechs Monate warten müssen. Sechs Monate! Ich bin nicht sicher, ob ich das schaffe!«
    »Gewöhn dich lieber dran, Prinzessin!«, gab Mimi zurück, ohne aufzusehen.
    Georgia warf ihr einen finsteren Blick zu und biss in ihr leckeres Antidepressivum: ein Brownie aus der Schachtel, die sie unter ihrem Bett bunkerte. Sie kaufte ihre Süßigkeiten ebenso wie alle anderen Lebensmittel in dem kleinen Geschäft hinter unserem Haus – nie im Leben würde sie schwere Einkaufstüten die zwei Blocks vom Supermarkt nach Hause durch die Kälte schleppen, wenn sie es gegen einen kleinen Aufpreis wesentlich bequemer haben konnte.
    Mimi stand auf, warf ihre Zeitschrift auf Georgias Bett, schlüpfte in ihren taillierten schwarzen Mantel mit der pelzverbrämten Kapuze und schlang sich einen grauen Kaschmirschal um den Hals – ein Geschenk von irgendeinem Typen, den sie auf einem Flug kennengelernt hatte. Sie drehte sich vor dem langen, schmalen Spiegel hin und her, schürzte die Lippen und zog sie dann in einem dunklen Rotton nach.
    »Okay, Ladys, ich bin dann mal weg«, rief sie. Bisher hatte Mimi sich noch nicht die Mühe gemacht, sich unsere Namen zu merken, sondern sprach uns mit Kosenamen wie »Schätzchen«, »Herzchen« und »Ladys« an. In Anbetracht der Fluktuation in unserem Crashpad konnte ich ihr keinen Vorwurf machen. Jede Woche traf eine neue Ladung Flugbegleiterinnen in New York ein. Obwohl wir erst seit vier Wochen hier waren, hatten wir eine ganze Menge Mädchen kommen und wieder gehen sehen. Manche zogen lediglich ein Stockwerk weiter nach oben, andere verschwanden gänzlich aus unserem Leben. Unsere jüngste Zimmergenossin hatte drei Tage nach ihrem ersten Flug das Handtuch geworfen: Ein Passagier hatte ihr vorgeworfen, ihm den gesamten Urlaub versaut zu haben, nachdem in der Holzklasse die Eier ausgegangen waren.
    »Wartet nicht auf mich!«, rief Mimi und tänzelte zur Haustür hinaus.
    »Worauf du dich verlassen kannst«, maulte Georgia leise.
    »Ob sie mit 2A ausgeht, was meinst du?« Ich lächelte verschmitzt.
    »Wen interessiert das schon?« Georgia betrachtete Mimis »Flausen« mit Argwohn, für sie waren Beziehungen eine sehr ernste Sache. Auch mein Freund weigerte sich standhaft, endlich aufzugeben. Offenbar hatte er trotz aller Bemühungen immer noch nicht kapiert, dass eine Fernbeziehung viel zu kompliziert war. Wieso musste der Kerl auch so nett und verständnisvoll sein. Das nervte! In puncto Männer blieben mir also nur die Geschichten von Mimis 2A-Mann, nach denen ich regelrecht süchtig wurde. Er saß auf einem Flug von San Francisco nach New York in der ersten Klasse und aß ausschließlich Kaviar, lebte in einem Penthouse in der Upper West Side und lud nicht nur Mimi, sondern auch all ihre Kolleginnen in schicke Hotelbars ein. Je mehr Mädels es waren, umso lustiger wurde es. Behauptete sie zumindest. Und da sie mich nie einlud

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