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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ein Ziegel auf den Kopf fällt. Ich sage es wirklich nicht, um mich reinzuwaschen. Wenn ich einen Fehler begangen hätte, würde ich es auch sagen. Hier, lesen Sie den Bericht des Anatomen.
    Er fand einen Satz in diesem Bericht, daß derartige Blutungen in das Hirn Neugeborener häufiger vorkämen, als angenommen würde. Das Hirn resorbiert das Blut, aber etwas bleibt zurück, mehr oder minder starker Schwachsinn, spätestens in der Pubertät auftretend. Er sah sein und Christianes Kind zwischen ihnen beiden aufwachsen, größer |604| werden. Dann hörte er die Stimme des Chauffeurs vom Teufelssee: Papachen, wann wird denn meine Birne operiert?
    Er schauderte. Er legte die Blätter aus der Hand, er fragte: Was ist aus dem Kind geworden?
    Frau Wendland hatte den Wunsch, daß es kein Grab gäbe, daß es … sie machte eine Bewegung, daß es verschwunden sei.
    Früher oder später, dachte er. Es bleibt sich gleich. Ein Grabstein oder keiner, es bleibt sich gleich. Ich hätte doch nicht dort gekniet.
    Es mußte einen Namen bekommen, sagte die Ärztin sachte. Das Standesamt verlangte es und die Polizei, weil es doch gelebt hat.
    Ja? fragte er.
    Sie hat es Christiane genannt, sagte die Ärztin.
    Ein langes, drückendes Schweigen.
    Ja, so war sie. Noch einmal sah er die Jugendgespielin strahlend in ihrem Mut, in ihrer inneren Wahrhaftigkeit. Sie ließ die alte Christiane sterben, ihr und sein Kind nahm den geliebten Namen von der Erde. Es gab keine Christiane mehr. Es gab nicht einmal einen Grabstein mehr. Vielleicht hätte er
doch
daran gekniet.
    Er stand auf. Es geht Frau Wendland gut?
    Noch nicht sehr, sagte sie, und rasch hinzusetzend: Aber sie ist sich über alles klar, was sie tut.
    Ja, ja, sagte er und stand noch einen Augenblick an der Tür.
    Sagen Sie, bitte, Frau Wendland, fing er an. Aber er unterbrach sich wieder. Nein. Nichts. Ich danke Ihnen sehr, Frau Doktor.
    Unvermittelt ging er.
    Er ging zurück in sein Pensionszimmer und saß dort eine Weile stumm.
    Jawohl, jawohl, ein kräftiger Schlag, so konnte man es nennen. Ein recht kräftiger Schlag. Aber es lag eigentlich in seiner Linie. Verdammt noch mal, es war gerecht. Wenn |605| Dummheit und Roheit straflos blieben, was würde aus dieser Welt, welche Welt? Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, daß er dumm und roh gewesen war. Es hatte alles seine Ordnung. Es war genau richtig.
    Nach einer Weile stand er auf und fing an zu packen. Er hatte einen Hof. Ein Schiff, das in starkem Sturm lag. Er war und wurde kein Kapitän Düllmann, der sich pensionieren ließ, wenn die »Anna Katrein« absoff. Steuer rum und weiter!
    Es klopfte. Das Mädchen meldete Herrn Wendland.
    Herr Wendland trat ein. Er trug einen untadligen schwarzen Paletot, um den Hals ein rohseidenes gelbliches Tuch, in der Hand hatte er eine Melone. Sein Gesicht war fahl, mit dicken, körnigen Tränensäcken.
    Guten Tag, Gäntschow, sagte er und blieb unter der Tür stehen.
    Guten Tag, Wendland, sagte Gäntschow und sah von seinem Koffer hoch.
    Als er das letzte Mal Herrn Wendland gesehen hatte, hatte der auf einem Pferde gesessen und mit einer Reitpeitsche schlagen wollen. Er hatte ihm die Peitsche abgenommen. Diesmal kam Herr Wendland mit einer Peitsche, die ihm nicht abzunehmen war, er konnte seinen Gegner schlagen, so stark er wollte. Der Gegner war wehrlos.
    Gäntschow sah Wendland an.
    Ich komme, sagte der korrekte Hamburger, um Ihnen eine Gemeinheit zu gestehen. Im vergangenen Sommer waren Sie in Geldverlegenheit. Ich hörte durch den Kaufmann Schöning davon. Ich räumte Ihnen durch diesen Strohmann einen Wechselkredit ein, aber ich sorgte auch gleichzeitig dafür, daß Sie nirgendwo Kredit bekamen. Ich wollte Sie von Ihrem Hof vertreiben, Gäntschow.
    Und jetzt ist das nicht mehr nötig? fragte Gäntschow.
    Nein, jetzt ist das nicht mehr nötig, bestätigte Wendland.
    Das ist jetzt gleichgültig, sagte Gäntschow.
    Nicht für mich, sagte Wendland, und auch nicht für Christiane.
    |606| Was stehen Sie noch hier, Mann, rief Gäntschow. Machen Sie mit Ihren Wechseln, machen Sie mit meinem Hof, was Sie wollen. Sie werden mich nie wieder auf Fiddichow sehen.
    Ich kann Sie nicht bitten, sagte Herr Wendland, aber Christiane bittet Sie, auf den Hof zurückzukehren. Wir werden nicht mehr auf Fiddichow wohnen, sagte er hastig. Die Wirtschaft wird verpachtet werden, und das Schloß wird leerstehen.
    Es ist ausgeschlossen, sagte Gäntschow wild, ich will Fiddichow nicht wiedersehen, ich hasse den

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