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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Mutter hingen, oder ein Bett mit all seinen Decken, Kissen und Laken, dessen Schläfer schon unter der kühlen Erde schlief, seit plötzlich aus der angebohrten Decke vom Boden her die Springwoge der gelben, rötlichen und grauen Körner wie eine Flut hinabbrauste.
    |23| Wie alt das jetzt stehende Haus ist, weiß niemand, der Hausbrief stammt nach dem Grundbuch vom 30. März 1847. Einmal hat Malte Gäntschow, nicht der Großvater des Johannes, sondern sein Vater, der auch Malte hieß, den Besuch eines hohen Herrn von der Landwirtschaftskammer gehabt, der in dasiger Gegend irgendwelche Kunstdüngerversuche anfangen wollte. Und beim Mittagsessen aus gepökelten Schweinsrippchen, gefüllt mit Mandeln, Rosinen und Backpflaumen, recht fett gebraten, einem rechten Bauernessen – der Herr hat mit sehr hohem Zahn daran gekaut –, hat der hohe Beamte denn auch mit dem Bauern Konversation machen wollen. Er hat gefragt, wie alt denn das Haus wohl sei? Vierhundertsiebenundsechzig Jahre hat Gäntschow gesagt, wie aus der Pistole geschossen. Der Landwirtschaftskammerherr hat etwas hilflos ausgesehen und hat gemeint, so alt hätte er das Haus nie taxiert, so alt sähe es noch gar nicht aus.
    Der Bauer hat keine Miene verzogen, sondern ernst gesagt, das mache hier das Klima.
    Was?! Daß die Häuser neu aussähen?!
    Ja, eben das mache das Klima.
    Aber –! Es sei doch allgemein bekannt, daß hier auf der Insel das Klima ziemlich rauh sei, mit schrecklichen Stürmen?
    Eben! Und die Seeluft mache es auch.
    Aber die Seeluft mit ihrem hohen Feuchtigkeitsgehalt sei doch bekannt dafür, daß sie besonders rasch Verwitterungserscheinungen hervorrufe? Der Herr war ganz verzweifelt über so viel Unwissenheit.
    Fragte der Bauer dagegen, ob der Herr denn nicht wisse, daß die Seebäder Fabiansruh und Dreege hier auf Fiddichow immer mehr in Aufnahme kämen?
    Ja, das wisse er. Aber er verstehe den Zusammenhang nicht –? Und die Städter wüßten doch Bescheid, sagte der Bauer Gäntschow streng. Wenn die gesund und frisch und wieder heil vom Seeklima würden, wieviel mehr da noch die Häuser, die nicht nur sechs Wochen, sondern immer in diesem |24| gesund machenden Seeklima stünden. Nein, vierhundertsiebenundsechzig sei das Alter, und nicht weniger, wenn man es dem Hause auch nicht ansähe.
    Der Bauer aß ernst und streng an seinen Schweinerippchen weiter, der Gast aus der Stadt mußte auch weiteressen und sah den Wirt nur manchmal verstohlen, zweifelnd und verzweifelnd von der Seite an. Hinterher meinte der Herr in der Vorstandsversammlung vom Fiddichower landwirtschaftlichen Verein, der Bauer Gäntschow bleibe doch wohl besser aus dem Dünge-Versuchsring heraus, er habe ein bißchen sehr rückständige Auffassungen, wie, was? Und der Bauer war denn ja auch mit diesem Resultat ganz zufrieden.
    Wie alt das Haus nun aber auch sein mag, ob vierhundertsechzig oder ob sechzig Jahre, jedenfalls stammt es noch mit seinen drei Stuben für eine ganze Bauernfamilie aus einer sehr anspruchslosen Zeit, und da die Gäntschows zwar vielerlei Sparren, aber nie den Bausparren gehabt haben, so ist an diesen drei Stuben auch nie etwas geändert worden. Und sie haben eigentlich Lebenszuschnitt und Lebenshaltung der Gäntschows bestimmt, viel stärker als die Zeiten, mochten die auch einmal für den Bauern sehr gut sein.
    Nein, das Haus ist kaum je ein Heim, sondern mehr eine Höhle für die Gäntschows gewesen, in die man sich nur bei schlimmstem Wetter verkroch. Es soll zwar ein Gäntschow gewesen sein, der, bei solch schlimmem Wetter an den Ofen gelehnt, mit einem tiefen Aufatmen das Wort gesprochen haben soll: Ist gut, daß die Häuser so hohl sind, daß Menschen drin wohnen können – aber wenn die Häuser nicht so hohl gewesen wären, die Gäntschows hätten sich auch mit der nächsten Erdhöhle oder noch besser mit dem nächsten Krug beholfen. Die Männer heißt das. Was mit den Frauen geworden wäre, bleibt fraglich, aber nie für den Bauern: über ihre Frauen und wie sie im Leben zurechtkamen und was aus ihnen wurde, haben sich die Gäntschows kaum besondere Gedanken gemacht. Sie sind immer ein Männergeschlecht gewesen, für männliche Arbeit, männlichen Streit. Die Frauen |25| führten daneben ein Schattendasein mit Essenkochen, Kinderkriegen, Hühnerbesorgen. Nicht einmal der Kuhstall wurde ihnen hier zugestanden. Kühe waren schon zu kompliziert für solche Wesen.
    Als der Großvater Malte Gäntschow längst Witwer und schon in den Siebzigern war,

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