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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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anders als das Zucken vor Kälte. Es geht fester. Über die rechte Schulter. Die Augen kneifen sich zusammen , obwohl sie gar nicht beteiligt sind. Die Schnalle trifft seitlich auf , der Dorn sticht ins Fleisch. Fester. Über die linke. Es tut weh. Wo er getroffen hat , kribbelt es. Noch kein Blut. Er friert nicht mehr. Fester. Sehr weh. Warum hauen sich die Ostfriesen stundenlang mit dem Hammer auf den Daumen? Über die rechte , über die linke , direkt hintereinander. Wegen des schönen Gefühls , wenn der Schmerz nachläßt. Die Luft bleibt kurz weg. Hitze , Brennen. Nicht weh genug , kein Blut. Jesus , Sohn Gottes , erbarme Dich meiner . Noch fester. Zusammengepreßter Atem , Aufstöhnen. Jesus , Sohn Gottes , erbarme Dich meiner. So fest , wie es geht. Ein glühender Punkt , von dem aus die Hitze sich sternförmig ausbreitet. Wann ist es genug? Fester. Flirren wie Sonnenlicht in den Augen. Jesus , Sohn Gottes. Gut wäre , ohnmächtig zu werden und mit dem Gesicht ungeschützt auf den Boden zu schlagen. Fester als es geht. Das Reißen der Haut. Langsam und warm rinnt es den Rücken hinunter. Lachen oder Weinen.

Dreiunddreißig
    Er flüstert , gerade laut genug , daß Spiritual Lenders ihn versteht , so leise , daß nicht das allergeringste von dem , was er sagt , durch den Vorhang nach draußen dringt , auch wenn dort nur ein paar Kleine sitzen: »… dann habe ich noch etwas , wo ich gar nicht weiß , ob Sie das überhaupt vergeben – also ob Sie mich davon lossprechen können.«
    »Mmh.«
    »Ich bin mir nicht sicher – es gibt doch Sünden , von denen einen nur der Bischof oder der Papst lossprechen kann.«
    »Normalerweise reicht die Priesterweihe für alles , was einem Jungen in deinem Alter passiert.«
    »Ja. Nein …«
    Lenders benutzt das Wort › passiert ‹ , als ob die Sünde eine Art Unfall wäre , wie Steinschlag oder ein Lawinenabgang.
    »… mir wurde gesagt , daß man für einige Sünden einen Bischof braucht.«
    »Von wem?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    Er lügt sogar in der Beichte. Eigentlich könnte er ebenso gut gehen.
    »Wenn ein Priester das Beichtgeheimnis bricht … Dann ist es schwierig. Aber das betrifft dich vorerst ja weniger.«
    »Was ich getan habe , ist bestimmt schwerwiegender. Wahrscheinlich war es die Sünde , die überhaupt niemals vergeben werden kann.«
    »Du meinst die Sünde wider den Heiligen Geist ?«
    »Vielleicht. Ja.«
    Stille.
    Warum schweigt Lenders so lange? Im Dunkel hinter dem Gitterfensterchen ist nur sein Profil zu erkennen , wie er das Kinn mit der Hand stützt. Wahrscheinlich überlegt er , ob es möglich ist , daß ein normaler Sekundaner , der dazu noch als fromm gilt , ein derart gewaltiges Vergehen auf seine Schultern geladen hat , und sucht eine behutsame Formulierung für die Tatsache , daß er ihm tatsächlich die Absolution verweigern muß.
    »Was Jesus mit der Sünde wider den Heiligen Geist gemeint hat , ist gar nicht genau geklärt. Auf jeden Fall gilt das mit der Unvergebbarkeit sowieso nur dann , wenn man im Stand dieser Sünde bis zum Tod verharrt.«
    »Hätte – nur als Beispiel – Faust einfach beichten gehen können und alles wäre wieder gut gewesen?«
    »Ich wüßte nicht , was dagegenspräche.«
    »Er hat dem Teufel einen Vertrag unterschrieben , mit seinem eigenen Blut.«
    »Bitte?«
    »Wegen der Unterschrift mit seinem eigenen Blut.«
    »Das ist doch sehr hypothetisch , würde ich meinen: Sag doch erst mal , was überhaupt passiert ist.«
    Er sieht sich aus dem Fenster klettern , durch den nächtlichen Garten irren , wimmernd in der Laube hocken , ins Schulgebäude flüchten , auf dem Sofa aufwachen , mit Schmerzen am ganzen Leib.
    »Ich wollte …«
    Es schnürt ihm die Kehle zu.
    »Laß dir Zeit.«
    »Ich habe einen … Ich habe das Furchtbarste getan , was ein gläubiger Christ tun kann.«
    Für Lenders ist der Teufel keine reale Größe , sondern lediglich ein allgemeines Sinnbild des Schlechten im Menschen. Wenn er überhaupt von ihm spricht , nennt er ihn › dein Teufelchen ‹ oder › das Pferdefußmännlein ‹ , als ob es sich um die Witzfigur aus einem Kinderbuch handeln würde. Lenders muß das , was Carl getan hat , vollkommen lächerlich erscheinen. Er wird es dem schlechten Einfluß von Kuffel und Holzkamp zuschreiben. Holzkamp sagt , daß Lenders schon beim Regens vorstellig geworden ist , um zu verhindern , daß sie ihn ins Priesterseminar aufnehmen.
    »Und was , wenn es doch keinen Sinn hat , daß ich es Ihnen

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