Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
noch nie in meinem Leben gesehen. Nachdem ich mit dem Staunen aufgehört hatte, fragte ich Detlef: »Bist du blöde geworden, zehn Gramm hier in der Wohnung.«
Er sagte: »Bestimmt nicht. Ich deale nämlich jetzt.«
Ich fragte: »Hast du vielleicht schon mal an die Bullen gedacht? Wenn sie dich noch mal erwischen, dann fährst du nämlich garantiert ein. Dann bist du ein paar Jahre weg vom Fenster.«
Detlef sagte: »Ich habe jetzt keine Zeit, über die Bullen nachzudenken. Ich muss nämlich jetzt erst mal sehen, wie ich über die Runden komme. Und hör auf mich zu nerven.«
Er fing gleich an, mit dem Taschenmesser Portionen abzuteilen, und sie auf kleine Blättchen Stanniolpapier zu häufeln. Ich merkte, dass die Stanniolpapierblättchen viel zu klein waren. Ich sagte: »Pass mal auf, Alter. Die Leute wollen beschissen werden. Du musst größere Päckchen nehmen, genauso viel Dope reintun und das ordentlich ausrollen. Das sieht dann nach mehr aus. Die Leute gehen nach der Optik. Denk mal an die Waschmittel. Riesenpackung und nur zweidrittel voll.«
Detlef sagte: »Hör auf mich zu nerven. Ich tu da extraviel Dope rein. Und das merken die Leute. Und dann spricht es sich rum, dass bei mir extraviel in den Päckchen drin ist.«
Dann kam ich erst auf die Idee zu fragen: »Sag mal, wem gehört das Dope eigentlich?« Es gehörte natürlich Piko, dem kleinen Ganoven. Der hatte sich früher mit Büroeinbrüchen über Wasser gehalten. Nun kam er gerade aus dem Knast, auf Bewährung. Und wollte mit dem gutmütig dämlichen Detlef eine schnelle Mark machen. Er hatte das Dope von Zuhältern auf der Potsdamer Straße. Knastbekanntschaften. Piko hatte es zu Dealerkonditionen gekauft. Nur dass er nicht selber dealen wollte, sondern das Detlef überließ. Piko hatte nämlich keine Ahnung von H und der Szene. Der soff nur.
Als Detlef fertig war mit dem Abpacken, zählten wir die halben Halben, die Halben und die Gramms zusammen, die er fertig gemacht hatte. Ich war in Mathematik nie stark. Aber ich kam dann noch vor Detlef drauf, dass das alles zusammen nur acht Gramm ergab. Er hatte statt ein bisschen zu wenig viel zu viel in die Päckchen getan. Hätte er das so verdealt, hätte er noch für zwei Gramm draufzahlen müssen.
Also das ganze Zeug zurück in den Klarsichtbeutel. Dabei blieb natürlich immer was am Papier hängen. Das konnte ich abkratzen für den Eigengebrauch.
Detlef machte dann größere Päckchen und rollte wie ein Wilder mit einer Bierflasche das Dope breit, damit es nach mehr aussah. Er machte nur halbe Halbe und am Ende hatte er tatsächlich 25 Stück.
Zwei Päckchen haben wir dann erst mal weggedrückt, um das Dope zu testen. Es war echt gutes H.
Gleich abends sind wir mit dem Zeug zum Treibhaus gegangen. Wir haben das meiste gebunkert. Wir hatten es an den Müllcontainern hinter dem Treibhaus eingegraben. Wir hatten immer höchstens drei Päckchen in der Tasche. Wenn Razzia gewesen wäre, hätten sie uns nicht gleich als Dealer rankriegen können. Es lief ganz gut. Wir haben gleich am ersten Abend 5 Gramm verdealt. Es sprach sich schnell rum, dass das Dope gut und die Portionen anständig waren. Nur Stella machte natürlich unser Dope schlecht. Dann kam sie aber doch an und wollte für uns vermitteln. Ich dummes Schaf ließ sie. Für fünf halbe Halbe, die sie vermittelte, bekam sie ein halbes Halbes. Für uns blieb da allerdings gar nichts mehr übrig. Wir bekamen nämlich von Piko keinen Pfennig Geld fürs Dealen. Wenn wir zehn Gramm verkauften, durften wir anderthalb behalten. Davon mussten wir aber noch unsere Vermittler bezahlen. Das heißt, es kam beim Dealen gerade unser Tagesbedarf an H zusammen.
Piko kam jeden Morgen zum Abrechnen. Wir hatten meist eine Abendkasse von etwa 2000 Mark. Das waren für Piko 1000 Mark Reingewinn, denn die Spanne vom Zwischenhändler zum Dealer ist 100 Prozent. Wir bekamen davon eben unsere anderthalb Gramm. Und Piko hatte fast kein Risiko, es sei denn, wir hätten ihn verpfiffen.
Da hatte Piko schon vorgebaut. Er drohte, wenn wir je verhaftet würden und der Polizei ein Wort sagten, könnten wir gleich einen Sarg bestellen. Seine Kumpel von der Potsdamer würden das schon erledigen. Denen entkäme auch im Knast keiner. Die hätten überall ihre Jungs. Er drohte auch mit seinen Zuhältern für den Fall, dass wir nicht korrekt abrechneten. Wir glaubten ihm jedes Wort. Ich hatte sowieso einen tierischen Horror vor Zuhältern. Spätestens seit sie Babsi gefoltert
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