Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
aufführen dürfen. Ich hätte in Ruhe mit ihm reden müssen, sobald wir allein waren. Er hörte ja auf mich. Ich hätte ihn vor allem keine Sekunde alleinlassen dürfen, denn er war schon ganz schön breit, als er mit der Braut sprach.
Schon nach zwei, drei Stunden erzählte mir jemand, dass Detlef sich zusammen mit seinem besten Freund Bernd einen Druck gesetzt hatte. Sie hatten gar nicht erst gesnieft. Sie hatten gleich gedrückt.
Ich sah Detlef dann noch in dieser Nacht. Er lächelte mir zu von ganz weit weg. Er schien sehr glücklich. Er hatte nicht einmal mehr das Bedürfnis, mit mir zu quatschen. Ich wollte nicht zu ihm. Das war eine noch miesere Nacht als dieser Samstag, an dem ich Atze verloren hatte. Detlef war weg. In einer Welt, zu der ich nicht gehörte. Mit einem Schlag, mit einem Druck war nichts Gemeinsames mehr zwischen uns.
Ich ging weiter ins Sound. Detlef hatte bald eine andere Freundin. Sie hieß Angi, war hässlich und unsensibel. Ich merkte, dass zwischen den beiden überhaupt nichts war. Ich sah Detlef eigentlich nie mit ihr reden. Sie war aber eben eine Fixerin. Manchmal kam Detlef zu mir. Er war mir ganz fremd. Meistens kam er, weil er eine Mark oder fünfzig Pfennig von mir wollte. Dann war er dabei, sich einen Druck zusammenzuschlauchen. Wenn ich Geld hatte, gab ich ihm was.
Die Sonntagmorgende waren sehr triste. Ich schlich kaputt zum U-Bahnhof und dachte: Was ist das alles für eine Scheiße. Ich hatte überhaupt keinen Durchblick mehr. Ich wusste nicht, warum ich ins Sound ging, ich wusste nicht, warum ich Drogen nahm, ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, ich wusste überhaupt nichts. Haschisch gab mir nicht mehr viel. Wenn ich breit war von Dope, dann war ich völlig isoliert und konnte mit niemandem mehr reden. Aber irgendwann musste ich ja auch mit anderen mal quatschen, wo ich Detlef nicht mehr hatte. Ich nahm immer mehr Tabletten.
Als ich einen Samstag Geld hatte und alles an Pillen auf der Szene war, übertrieb ich es. Weil ich irgendwie sehr down war, spülte ich zwei Captagon, drei Ephedrin und noch ein paar Coffies, also Coffein-Tabletten mit einem Bier runter. Als ich dann total aufgedreht war, gefiel mir das auch nicht. Da schmiss ich Mandrax und jede Menge Valium nach.
Ich weiß nicht mehr genau, wie ich nach Hause kam. Auf dem Weg von der U-Bahn zu unserer Wohnung klappte ich jedenfalls zusammen. Ich kroch zu einer Treppe vor einem Geschäft und krümmte mich da zusammen. Irgendwann zog ich mich hoch und steuerte immer den nächsten Punkt zum Festhalten an. Von einer Laterne zum nächsten Baum und wieder zur Laterne. Es war ein endloser Weg. Ich dachte, ich würde sterben, wenn ich es nicht schaffte. Am schlimmsten war der Schmerz in der Brust. Es war, als bohrte mir jemand mit einem Schwert im Herzen rum.
Am nächsten Morgen, am Montag, bekam mich meine Mutter nicht wach. Als sie abends von der Arbeit zurückkam, lag ich immer noch bewegungslos da. Sie flößte mir mit Gewalt immer wieder Honig ein. Erst am Dienstagnachmittag konnte ich das erste Mal wieder aufstehen. Ich erzählte meiner Mutter, ich hätte eine Grippe und Kreislaufstörungen. Mein Kreislauf brach tatsächlich öfter zusammen. Ich sagte meiner Mutter, das sei bei anderen in meiner Klasse auch so. Das käm von der Pubertät und dem schnellen Wachsen. Ich wollte unter allen Umständen verhindern, dass ein Arzt geholt wurde, weil ich Angst hatte, der würde merken, was mit mir los war. Meine Mutter holte auch tatsächlich keinen Arzt. Sie schien immer froh, wenn ich ihr irgendeine Erklärung für meinen Zustand lieferte.
Ich hatte jetzt erst mal die Schnauze gestrichen voll von Pillen. Bis zum nächsten Samstag war ich fast ständig nüchtern. Ich fühlte mich sehr mies.
Am Samstag im Sound warf ich einen Trip. Es war der totale Horror. Das erste Mal, dass ich wirklich einen Horrortrip hatte. Diese Frankenstein-Fratze von dem Punkt auf meinem Poster war wieder da. Dann dachte ich, dass ich verblute. Das ging über Stunden. Ich konnte nicht mehr sprechen und nicht mehr laufen. Ich kam irgendwie ins Kino vom Sound und saß da fünf Stunden und dachte, ich verblute.
Nun ging also gar nichts mehr. Keine Tabletten, kein LSD. Auf Hasch hatte ich schon lange keinen Bock mehr. Ich blieb also bis auf ein paar Valium ab und zu clean. Ich glaube, drei Wochen lang. Es war eine beschissene Zeit. Wir zogen um nach Kreuzberg, nahe an der Mauer. Es war eine miese Gegend, aber die Miete war billiger. Ich
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