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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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war mit einem Mal ganz blöde drauf. Schon in den letzten Wochen, als ich nicht mehr wusste, wozu und wohin, war mir dies »It is too late« an den Nerv gegangen. Ich dachte, dass der Song genau meine Situation beschrieb. Nun haute mich dieses »It is too late« um. Ich hätte mein Valium gebraucht.
    Nach dem Konzert konnte Hühnchen echt kaum noch gehen. Er war total auf Turkey. Wir trafen Bernd, den Freund von Detlef. Der hatte sich noch vor dem Konzert einen Druck gemacht. Er sagte, wir müssten etwas tun für Hühnchen. Er selber könne auch noch einen Druck vertragen.
    Bernd hatte noch zwei Trips. Die verkauften wir ganz schnell vor der Deutschlandhalle und hatten dann erst mal 12 Mark. Den Rest sollte ich schlauchen. Ich war Meister im Schlauchen. Im Sound hatte ich mir einen großen Teil des Geldes, das ich für Drogen brauchte, zusammengeschlaucht. Wenigstens 20 Mark mussten es werden. Unter dem gab es nichts zu kaufen auf der Szene. Das Schlauchen vor der Deutschlandhalle ging fabelhaft. Da waren ja auch viele Leute mit Kohle im Konzert gewesen, Typen, die nicht schon alle naslang angehauen worden waren von jemandem, der nur Dope wollte. Ich brachte meine Sprüche »Kein Geld für die U-Bahnfahrkarte« und so, und das Geld klingelte nur so in meiner Plastiktasche. Bernd kaufte davon H. Mehr als genug für zwei Drucks. Dope war damals gerade relativ billig.
    Der Gedanke kam mir dann urplötzlich: Jetzt hast du das Geld schon dafür geschlaucht, jetzt willst du auch wenigstens mal was davon probieren. Mal sehen, ob das Zeug wirklich so gut ist, wie die Fixer manchmal nach dem Druck glücklich aussehen. Weiter dachte ich wirklich nicht. Ich hatte ja nicht den Durchblick, dass ich mich in den vergangenen Monaten systematisch reif gemacht hatte fürs H. Mir war in diesem Moment nicht einmal bewusst, dass ich ja in einem wahnsinnigen Tief war, dass mich dieses »It is too late« voll umgehauen hatte, dass mir keine andere Droge da mehr raushalf, dass auf meinem Weg jetzt H die logische Konsequenz war. Alles, was ich dachte, war, dass ich nicht wollte, dass die beiden Fixer jetzt loszogen und mich allein in meiner Scheiße zurückließen. Ich sagte den anderen beiden sofort, dass ich mal probieren wollte. Hühnchen konnte kaum noch sprechen. Aber er wurde richtig wütend. Er sagte: »Das machst du nicht. Du hast keine Ahnung, was du tust. Wenn du das machst, bist du in kurzer Zeit genau da, wo ich jetzt bin. Dann bist du nämlich eine Leiche.« Hühnchen wusste ganz genau, dass man ihn Leiche nannte.
    Es war also nicht so, dass ich armes Mädchen von einem bösen Fixer oder Dealer bewusst angefixt wurde, wie man es immer in Zeitungen liest. Ich kenne niemanden, der praktisch gegen seinen Wunsch angefixt wurde. Die meisten Jugendlichen kommen ganz allein zum H, wenn sie so reif dafür sind, wie ich es war.
    Mich machte das mühsame Gestammel von Hühnchen nur trotzig. Er war ja jetzt auf Turkey, nicht mehr der coole und überlegene Typ, sondern ein armes Schwein, das von mir abhängig war. Ich wollte mir von ihm nichts befehlen lassen. Ich sagte: »Erstens ist das meiste mein Dope, weil ich das Geld geschlaucht habe. Außerdem red nicht so ’nen Quatsch. Ich werd doch nicht abhängig wie du. Ich hab mich total unter Kontrolle. Ich probier das mal und dann ist Schluss.«
    Ich wusste noch nicht, wie schwach man auf Turkey ist. Hühnchen jedenfalls schien voll beeindruckt von dem, was ich sagte. Er machte den Mund erst gar nicht mehr auf. Bernd quatschte auch noch was, aber ich hörte nicht hin, sondern sagte nur, wenn sie mich nicht probieren lassen wollten, dann sollten sie mir meinen Anteil ganz geben. Wir gingen in einen Hauseingang und Bernd teilte das Dope ganz gerecht in drei Teile. Ich war jetzt unheimlich geil auf das Zeug. Da war kein Nachdenken, kein schlechtes Gewissen. Ich wollte es sofort probieren, um endlich mal wieder echt gut draufzukommen. Vor der Spritze hatte ich Angst. Ich sagte den beiden: »Ich will nicht drücken. Ich sniefe.« Bernd sagte, was ich machen müsste, obwohl ich das aus dem Gequatsche über H längst wusste.
    Ich sog das Pulver sofort durch die Nase ein. Alles, was ich spürte, war ein beißend bitterer Geschmack. Ich musste Brechreiz unterdrücken und spuckte dann doch eine Menge von dem Zeug wieder aus. Dann kam es aber unheimlich schnell. Meine Glieder wurden wahnsinnig schwer und waren gleichzeitig ganz leicht. Ich war irrsinnig müde und das war ein unheimlich geiles Gefühl.

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