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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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Die ganze Scheiße war mit einem Mal weg. Kein »It is too late« mehr. Ich fühlte mich so toll wie noch nie. Das war am 18. April 1976, einen Monat vor meinem 14. Geburtstag. Ich werde das Datum nie vergessen.
    Hühnchen und Bernd gingen in das Auto von einem Fixer, um sich den Druck zu setzen. Ich ging schon vor ins Sound. Mir machte es jetzt nichts mehr aus, allein zu sein. Ich fand es unheimlich cool, allein zu sein. Ich war wahnsinnig stark. Ich setzte mich im Sound auf eine Bank. Astrid kam, sah mich an und fragte sofort: »Mensch, bist du auf H?« Astrid war zu der Zeit meine beste Freundin.
    Ich rastete trotzdem aus, als sie so dämlich fragte. Ich schrie: »Hau ab, Mensch. Mach, dass du wegkommst.« Ich wusste nicht, warum ich so ausflippte.
    Hühnchen und Bernd kamen und waren auch breit. Hühnchen war wieder der total coole Typ. Detlef war nicht im Sound. Ich hatte Durst und holte mir einen Kirschsaft. Ich trank die ganze Nacht Kirschsaft. Vor Alkohol hatte ich jetzt einen ungeheuren Horror.
    Um fünf Uhr morgens fragte Bernd, ob wir nicht noch mit zu ihm nach Hause wollten auf einen Tee. Wir gingen. Ich hakte mich ganz happy bei Hühnchen ein. Der Kirschsaft rumorte wie wild in meinem Bauch und ich musste mich übergeben. Ich kotzte im Gehen. Mir machte das überhaupt nichts aus. Die anderen beiden schienen es gar nicht zu bemerken.
    Ich fühlte mich wie in einer tollen neuen Familie. Ich sagte nicht viel, aber ich hatte das Gefühl, zu den beiden über alles reden zu können. Das H machte uns zu Geschwistern. Wir waren alle gleich. Ich hätte meine geheimsten Gedanken verraten. Nach den miesen Wochen davor meinte ich nun, noch nie so glücklich gewesen zu sein.
    Ich schlief zusammen mit Bernd in seinem Bett. Er fasste mich nicht an. Wir waren ja Geschwister, H-Geschwister. Hühnchen legte sich auf den Boden und den Kopf gegen einen Sessel. So lag er bis zwei Uhr mittags. Dann stand er auf, weil er schon wieder auf Turkey kam und sich einen Druck organisieren musste.
    Ich spürte ein wahnsinniges Jucken überall. Ich zog mich nackend aus und kratzte mich mit der Haarbürste. Ich kratzte mich blutig, vor allem an den Waden. Mich irritierte das nicht. Ich wusste, dass Fixer sich kratzen. Am Kratzen hatte ich schon im Sound immer gleich erkannt, wer fixte. Hühnchens Waden waren so zerkratzt, dass da kein Flecken heiler Haut mehr war und an manchen Stellen das Fleisch zu sehen war. Hühnchen kratzte sich die Waden nicht mit einer Bürste, sondern mit dem Taschenmesser.
    Hühnchen sagte zu mir, bevor er ging: »Du kannst das Dope, das du mir gegeben hast, morgen wiederkriegen.« Für ihn also war es bereits sonnenklar, dass ich jetzt eine richtige Fixerbraut geworden war, die sich spätestens am nächsten Tag wieder vollpumpt. Ich durchschaute irgendwie, was er da so selbstverständlich sagte. Ich tat ganz cool und antwortete: »Nee, lass man. Das hat Zeit. Es reicht, wenn du es mir in vier Wochen wiedergibst.«
    Ich schlief noch mal ganz ruhig und happy ein. Abends fuhr ich nach Hause. Es gab Momente, wo ich mir etwa sagte: »Mensch, du bist 13 und warst schon auf H. Ist doch irgendwie scheiße.« Aber das war dann sofort wieder weg. Mir ging es zu gut zum Nachdenken. Entzugserscheinungen gibt es ja noch nicht, wenn man anfängt. Bei mir hielt das coole Feeling die ganze Woche an. Alles lief prima. Zu Hause gab es überhaupt keinen Krach mehr. Die Schule nahm ich ganz relaxed, arbeitete manchmal mit und bekam gute Zensuren. In den nächsten Wochen arbeitete ich mich in vielen Fächern von Vier auf Zwei rauf. Ich meinte plötzlich, mit allen Menschen und allem klarzukommen. Ich schwebte richtig cool durchs Leben. In der Woche ging ich wieder in das Haus der Mitte. Da waren inzwischen auch schon vier Leute aus unserer alten Clique auf Heroin umgestiegen. Mit denen saß ich jetzt abseits. Innerhalb weniger Wochen gab es immer mehr Fixer im Haus der Mitte. Das H schlug auch in Gropiusstadt wie eine Bombe ein.

Jürgen Quandt,
Kreisjugendpfarrer und geschäftsführender Pfarrer des evangelischen Zentrums »Haus der Mitte«

    Der Jugendkeller im Evangelischen Zentrum – Haus der Mitte – war jahrelang der zentrale Treffpunkt von Jugendlichen aus der Gropiusstadt und aus Neukölln. Jeden Abend kamen bis zu 500 jugendliche Besucher in den Keller, bis wir im Dezember 1976 wegen des rapiden Anstiegs von Heroingebrauch unter Jugendlichen den Keller schlossen, um dadurch auf die katastrophale Situation öffentlich

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