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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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machte ihm Vorwürfe. »Warum«, fragte ich ihn, »haben Sie mir denn nichts gesagt.« Weil er sich schämen würde, sagte er.
    Detlefs Vater schien erleichtert. Er wollte sich auch finanziell beteiligen. Bisher hatte er sich vergeblich um Hilfe für seinen Sohn bemüht. Ich muss ihm wie ein Engel vorgekommen sein. Und ich kam mir selber ganz stark vor. Ich hatte ja keinen blassen Schimmer von dem, was mich erwartete.
    Am nächsten Tag fuhr ich allein los, um mich beraten zu lassen. Zuerst ging ich zum Jugendamt und sagte: »Meine 14-jährige Tochter ist heroinsüchtig. Was soll ich tun?« Die wussten keinen Rat. »Heimeinweisung«, meinten sie. Ich sagte, das käme überhaupt nicht in Frage. Christiane hätte sich nur abgeschoben gefühlt. Außerdem wussten die auch gar kein Heim. Sie müssten erst eins aussuchen, das würde längere Zeit dauern. Gute Plätze für schwer erziehbare Kinder seien sowieso rar. Ich sagte: »Damit hat das nichts zu tun, sie ist nicht schwer erziehbar! Sie ist rauschgiftsüchtig.« Die guckten mich immer nur an und zuckten mit den Schultern. Zu guter Letzt empfahlen sie mir, mit Christiane zur Erziehungsberatung zu gehen.
    Als ich das Christiane vorschlug, sagte sie nur: »Was soll der Quatsch, die haben keine Ahnung. Was mir fehlt, ist eine Therapie.« Aber die Ämter hatten diesbezüglich nichts zu bieten. Ich klapperte dann die Drogenberatungsstellen ab, an der Technischen Universität, bei der Caritas und ich weiß nicht, wo noch überall. Ich wusste doch nicht, wie ich mit dem Problem umgehen sollte.
    Die Drogenberater versprachen sich von einer Entziehung zu Hause wenig. Ohne Therapie sei ein Entzug ziemlich witzlos. Aber weil Christiane noch so jung sei, könne ich ja zu Hause mein Glück versuchen. Sie hätten ohnehin keinen Therapieplatz frei, vielleicht in einem Vierteljahr. Sie gaben mir noch Ernährungsratschläge, um Mangelerscheinungen entgegenzuwirken.
    Der Entzug ging schon in der ersten Woche über die Bühne. Die beiden machten keinerlei Sperenzchen, auch keine Anstalten zu verduften. Ich schöpfte wieder Hoffnung. Nach acht Tagen war ich sicher: Gott sei Dank, sie hat’s geschafft. Christiane ging bald wieder regelmäßig zur Schule und beteiligte sich angeblich auch am Unterricht.
    Doch dann fing Christiane wieder an sich rumzutreiben. Immerhin sagte sie mir jeweils, wo sie war. Sie machte hieb-und stichfeste Angaben. Wenn sie abends um acht Uhr anrief, sagte sie: »Muttichen, ich bin in dem und dem Café. Ich habe den und den getroffen. Ich komm gleich!«
    Ich war nun gewarnt. Ich kontrollierte ihre Arme, stellte aber keine frischen Einstiche fest. Sie durfte zwar am Wochenende nicht mehr bei Detlef übernachten. Andererseits wollte ich ihr zeigen, dass ich Vertrauen in sie setzte. Darum gab ich ihr sonnabends länger Ausgang. Ich war misstrauisch, aber ich wusste einfach nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich zermarterte mir den Kopf.

Ich hatte Horror davor, wieder körperlich vom H abhängig zu werden. Aber wenn Detlef breit war und ich clean, dann gab es kein Feeling zwischen uns. Dann waren wir wie Fremde zueinander. Ich nahm deshalb das Dope, das Detlef mir wieder gab. Und noch während wir uns die Nadel reinjagten, sagten wir uns, dass wir nie wieder abhängig werden wollten. Wir redeten uns noch ein, dass wir körperlich nicht drauf seien und jeden Tag aufhören könnten, als wir längst wieder panisch dafür sorgten, dass wir für morgens Dope übrig behielten.
    Die ganze Scheiße fing wieder von vorn an. Nur dass uns das nicht so bewusst war, wie tief wir gleich wieder in der Scheiße drinsaßen, weil wir uns eben einbildeten, dass wir alles unter Kontrolle hätten.
    Zuerst schaffte Detlef also wieder für mich an. Das ging natürlich nicht lange und ich musste auch wieder auf den Strich. Aber ich hatte zunächst wahnsinnig Glück mit Stammfreiern und da kam mir auch das Anschaffen gar nicht so widerlich vor.
    Detlef nahm mich gleich das erste Mal, als ich wieder Geld anschaffen musste, mit zu Jürgen. Dieser Jürgen ist ein ziemlich bekannter Mann im Berliner Geschäftsleben. Er hat urisch Kohle und isst mit Senatoren zu Mittag. Er ist zwar schon über dreißig, aber irgendwo doch noch ein jungscher Typ. Er spricht den gleichen Jargon wie die jungen Leute und versteht auch ihre Probleme. Er ist bestimmt keiner von diesen abgewichsten Managertypen, die es sonst so zu Kohle bringen.
    Ich kam also zum ersten Mal zu Jürgen in die Wohnung. Und da saßen

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