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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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rund ein Dutzend junge Leute um einen riesigen Holztisch. Auf dem Tisch standen silberne Kerzenleuchter mit brennenden Kerzen und Flaschen mit teurem Wein. Alle unterhielten sich ganz locker miteinander. Und ich merkte, dass die Bräute und Typen an dem Tisch alle eine ganze Menge auf dem Kasten hatten. Jürgen war der Wortführer. Und ich dachte, dass der unheimlich was in der Birne hat. Überhaupt, dass er es zu einer so abgefahrenen Wohnung gebracht hatte, in der alles tierisch Kohle gekostet haben musste, imponierte mir schon. Und dass der Typ dabei so locker geblieben war, richtig menschlich.
    Wir wurden von ihm und den anderen sofort wie alte Freunde behandelt, obwohl da kein Fixer sonst dabei war. Nachdem man noch so eine Weile rumgequatscht hatte, fragte ein Pärchen, ob sie mal duschen gehen dürften. Jürgen sagte: »Na klar, wozu sind denn die Duschen da.«
    Die Duschen waren gleich am Wohnraum. Die beiden gingen rein und dann noch ein paar von den Leuten. Und dann kamen sie nackt wieder rein und fragten nach Handtüchern. Ich dachte, dass das eine ganz coole Gemeinschaft sei, in der sich alle irgendwie lieb haben müssten. Und ich hatte ein richtig gutes Feeling, weil ich mir vorstellte, dass Detlef und ich später auch eine so abgefahrene Wohnung haben würden und wir dann auch immer Freunde, die total in Ordnung waren, einladen könnten.
    Ein paar Leute liefen dann schon nackt oder nur mit einem Handtuch um den Bauch rum und sie fingen auch an miteinander zu fummeln. Ein Pärchen ging in das Schlafzimmer, in dem ein Riesenbett stand, das man hoch-und runterstellen konnte. Vom Schlafzimmer zum Wohnraum war ein breiter Durchgang. Man konnte also in das Schlafzimmer reinsehen. Die beiden knutschten nackt miteinander und dann krochen noch andere in das Riesenbett. Typen fummelten mit Mädchen und auch Typen mit Typen. Einige machten es direkt am Tisch.
    Ich hatte längst gescheckt, dass da eine richtige Orgie anlief. Detlef und mich wollten sie auch mit einbeziehen. Aber ich hatte das nicht drauf. Ich wollte mich nicht von irgendjemandem befummeln lassen. Mich ekelte es nicht an, was da lief. Ich war sogar auch ein bisschen angetörnt davon, wie locker die sich miteinander vergnügten. Aber gerade deswegen wollte ich mit Detlef allein sein.
    Detlef und ich gingen in ein Nebenzimmer. Wir streichelten uns und zogen uns auch aus. Plötzlich saß Jürgen neben uns und guckte uns zu. Mich störte das gar nicht so, weil in dieser Wohnung eben alles sehr locker lief und weil ich dann auch daran dachte, dass wir von Jürgen ja Geld bekamen. Ich hoffte nur, dass er uns jetzt nicht anfassen würde.
    Jürgen sah nur zu. Während ich mit Detlef schlief, wichste er sich einen ab. Als wir irgendwann weggingen, weil ich nach Hause musste, drückte er Detlef ganz beiläufig einen Hundertmarkschein in die Hand.
    Jürgen wurde unser Stammfreier. Er war bisexuell. Meist gingen wir zusammen zu ihm. Dann beschäftigte ich ihn oben und Detlef unten. Wir bekamen immer hundert Mark dafür. Manchmal ging auch einer von uns allein. Für sechzig Mark. Sicher, Jürgen war auch ein Freier und als Freier fast so unangenehm wie die anderen. Aber er war der einzige Freier, für den ich so etwas wie Freundschaft empfand. Ich hatte jedenfalls Respekt vor ihm. Ich redete gern mit ihm, weil er immer gute Ideen hatte und den totalen Durchblick. Er kam mit dieser Gesellschaft zurecht.
    Ich bewunderte vor allem, wie er mit Geld umgehen konnte. Das interessierte mich auch beinah am meisten an ihm. Wenn er erzählte, wie er sein Geld anlegte und wie es dann fast automatisch immer mehr wurde. Dabei war er unheimlich großzügig. Die anderen, die an den Orgien teilnahmen, kriegten wohl direkt kein Geld dafür. Ich war aber mal dabei, wie ihn ein jungscher Typ um ein paar Tausend Mark für einen Mini Cooper anhaute. Jürgen redete nicht viel rum, schrieb einen Scheck aus und sagte: »Da hast du deinen Mini Cooper.« Jürgen war der einzige Freier, zu dem ich auch mal ging, wenn ich nichts von ihm wollte und er nichts von mir. Ich sah manchmal abends bei ihm fern und dann fand ich die Welt irgendwie wieder ganz okay.
    Detlef und ich gingen auch wieder voll auf die Szene. Diese normalen Teenie-Discos interessierten uns nicht mehr. Wenn ich nicht auf dem Bahnhof Zoo war, hing ich auf dem U-Bahnhof Kurfürstendamm rum. Auf dem kleinen U-Bahnsteig waren oft an die hundert Fixer. Da wurde gedealt. Aber da kamen auch schon Freier, die sich ganz auf Fixer

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