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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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Erdbeeren.« Sie ging und brachte mir einen großen Korb mit Erdbeeren.
    Ich dachte an diesem Nachmittag, dass es mit mir nun wirklich zu Ende ginge. Ich hatte keine starke Dosis gedrückt, eben nur zuviel Essig. Mein Körper hatte einfach keine Widerstandskraft mehr. Mein Körper jedenfalls machte nicht mehr mit. Ich kannte das ja von anderen, die schon tot waren. Die waren auch erst ein paar Mal umgekippt nach dem Druck. Und dann sind sie irgendwann nicht mehr aufgewacht, da war Sense. Ich wusste nicht mehr, warum ich Angst gehabt hatte vor dem Sterben. Vor dem Allein-Sterben. Fixer sterben allein. Meistens allein auf einem stinkenden Klo. Und ich wollte echt sterben. Ich wartete ja eigentlich auf gar nichts anderes. Ich wusste nicht, warum ich auf der Welt bin. Ich hatte das auch früher nie so recht gewusst. Aber wozu um alle Welt lebt ein Fixer? Nur, um noch andere mit kaputtzumachen? Ich dachte an diesem Nachmittag, dass ich schon meiner Mutter zuliebe sterben müsste. Ich wusste ja sowieso nicht mehr, ob ich da war oder nicht da war.
    Am nächsten Morgen ging es mir besser. Ich dachte, vielleicht machst du es noch eine Weile. Ich musste zur Polizei, wenn sie mich nicht holen sollten. Aber ich brachte es irgendwie nicht mehr, allein zur Polizei zu gehen. Ich telefonierte nach Stella rum und ich hatte Glück, dass ich sie bei einem gemeinsamen Stammfreier von uns auftrieb. Ich fragte, ob sie mit mir zur Polizei käme. Sie war sofort dabei. Ihre Mutter hatte sie gerade mal wieder bei der Polizei als vermisst gemeldet. Aber Stella hatte vor nichts Angst, ihr war alles gleich. Sie wollte mit zur Polizei, obwohl sie auf Trebe war.
    Ich saß dann in einem langen Flur vor dem Zimmer 314 mit Stella auf einer Holzbank und wartete artig, bis ich aufgerufen wurde. Ich ging, als ich gerufen wurde, so brav in das Zimmer 314, dass nicht viel fehlte und ich hätte noch einen Knicks gemacht. Da drückte mir eine Frau Schipke ganz freundlich die Hand und sagte gleich, sie habe auch eine Tochter, die sei ein Jahr älter als ich, 15, aber nicht auf Drogen. Diese Bullenbraut machte also total auf mütterlich. Sie fragte, wie es mir gehe, und brachte auch noch Kakao, Kuchen und Äpfel.
    Diese Frau Schipke redete auch ganz mütterlich über andere Leute von der Szene und fragte mich, wie es denen gehe. Sie zeigte mir Fotos von Fixern und Dealern und ich sagte dann immer nur noch, ja, die kenne ich vom Sehen. Da erzählte sie mir, dass bestimmte Leute von der Szene sehr schlecht über mich gesprochen hätten, und da kriegte sie mich zum Quatschen. Ich merkte, dass diese Bullenbraut mich auf die mieseste Tour ablinkte, aber ich quatschte trotzdem zu viel. Ich unterschrieb dann ein Protokoll mit lauter Schoten, die sie mir mehr oder weniger in den Mund gelegt hatte.
    Zum Schluss kam noch ein Bulle, der mich nach dem Sound fragte. Und da packte ich nun echt aus. Ich erzählte, wie viel Leute ich kannte, die da angefixt wurden, und von den brutalen Schlägern der Geschäftsführerclique. Ich ließ auch noch Stella reinholen, die alles bestätigte und sagte, sie würde das vor jedem Gericht beeiden.
    Die Frau Schipke blätterte dabei immer in Akten und hatte dann wohl bald raus, wer Stella war. Sie fing an Stella auszuquetschen, aber die wurde gleich rotzfrech. Ich dachte schon, jetzt kassieren sie Stella ein. Da hatte Frau Schipke Dienstschluss und sagte, Stella solle am nächsten Tag noch mal kommen. Stella kam natürlich nicht.
    Die Frau Schipke sagte beim Abschied zu mir: »Na, wir sehen uns ja bestimmt auch bald wieder.« Sie sagte das so scheißfreundlich, wie sie alles gesagt hatte. Das war nun die größte Gemeinheit. Sie sagte ja nichts anderes, als dass ich sowieso ein hoffnungsloser Fall sei.

Gerhard Ulber,
Kriminaloberrat und Leiter der Rauschgift-Inspektion der Berliner Polizei

    Bei der Bekämpfung des Drogenmissbrauchs verfolgen wir als Polizei das Konzept, mit der Aufbietung aller unserer Möglichkeiten das Angebot an illegalen Betäubungsmitteln, insbesondere an Heroin, einzugrenzen und dadurch die Therapieversuche der zuständigen Stellen zu unterstützen.
    Wir haben 1976 2,9 Kilo, 1977 4,9 Kilo und in den ersten acht Monaten von 1978 bereits 8,4 Kilogramm Heroin sichergestellt. Damit ist aber keinesfalls gesagt, dass wir unsere Beschlagnahmen im Verhältnis zum angebotenen beziehungsweise verbrauchten Heroin gesteigert hätten. Ich persönlich bin da eher pessimistisch. Die im Umlauf befindlichen Mengen Heroin sind

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