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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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sehen, dass man die Arbeit fertig bekommt. Da kann man dann nicht mehr so viel über die ganze Sache nachdenken. In meiner Tätigkeit versuche ich trotzdem, die vorgeladenen Personen auch persönlich anzusprechen und einen Kontakt herzustellen, weil sonst eine erfolgreiche Vernehmung nicht möglich ist.
    Christiane war anfangs sehr offen und gab bereitwillig Auskunft. Sie ist mir durch ihre Bescheidenheit aufgefallen und machte auf mich den positiven Eindruck eines gut erzogenen Kindes. Während der ersten Vernehmungen wirkte sie noch wie ein kleines Mädchen. Christiane sprach auch immer gut über ihre Mutter und ich muss auch sagen, die hat sich auch im Gegensatz zu vielen anderen Eltern sehr um ihre Tochter gekümmert. Ich stand mit ihr oft in telefonischem Kontakt.
    Nach mehreren Vernehmungen wurde Christiane dann altersunangemessen frech und anmaßend. Ich sagte ihr knallhart auf den Kopf zu, dass sie eine Fixerin bleiben würde, trotz ihrer Entzüge. Das war eine harte Auseinandersetzung. Doch ich will nichts Negatives über Christiane sagen. Sie war auch nicht nachtragend.
    Den Fixern ist einfach nicht zu helfen. Sie fühlen sich immer reingelegt, weil sie nicht einsehen, wofür sie bestraft werden sollen. Meiner Meinung nach sind diese jungen Leute einfach viel zu leichtsinnig. Aus Neugierde und aus Langeweile fangen sie mit dem Fixen an und wundern sich dann, wenn sie die Konsequenzen tragen müssen. Ich halte es für wünschenswert, dass Christiane so hoch wie möglich bestraft wird, denn der Schock eines Gefängnisaufenthaltes könnte bei einem so jungen Menschen vielleicht eine Besserung einleiten. So hoffe ich jedenfalls.

In der U-Bahn hätte ich heulen können vor Wut, dass ich mich mit Kakao und Kuchen und ekelhafter Scheißfreundlichkeit von einer Bullenbraut hatte ablinken lassen.
    Nachdem ich auf dem Bahnhof noch zwei Freier gemacht und am Kurfürstendamm Dope gekauft hatte, fuhr ich nach Hause. Mein Kater lag in der Küche und kam kaum noch hoch. Er war schon seit einigen Tagen krank. Jetzt sah er so eingefallen aus und mauzte so kläglich, dass ich dachte, der stirbt auch bald.
    Der todkranke Kater beschäftigte mich nun irgendwie mehr als mein eigener Zustand. Vom Tierarzt hatte ich ein Rinderblutextrakt für den Kater bekommen. Aber der fraß nichts mehr. Er lag vor dem Schälchen mit Rinderblutextrakt und hob nicht mal den Kopf.
    Ich wollte mir gleich einen Druck machen. Ich holte mein Besteck raus und dann kam mir eine Idee. Ich zog etwas von dem Rinderblutextrakt in die Spritze und spritzte das Zeug dem Kater ins Maul. Er ließ sich das ganz apathisch gefallen. Dann brauchte ich lange, um das Besteck wieder sauber zu kriegen und mir den Druck zu machen.
    Ich kam nicht mehr gut drauf. Allein die dämliche Angst zu sterben machte mich fertig. Ich wollte sterben, aber vor jedem Schuss hatte ich eine dämliche Angst vorm Sterben. Vielleicht brachte mich auch mein Kater wieder drauf, was das Sterben eigentlich für eine miese Sache ist, wenn man noch gar nicht richtig gelebt hat.
    Es war alles sehr ausweglos. Mit meiner Mutter redete ich kein vernünftiges Wort mehr, seit ihr klar war, dass ich wieder drückte. Ich schrie rum und sie sah mich immer mit ihren verzweifelten Augen an. Die Polizei war nun endgültig hinter mir her. Das Protokoll, das ich der Schipke unterschrieben hatte, reichte voll und ganz für ein Gerichtsverfahren und eine Jugendstrafe, die sich gewaschen hatte. Ich spürte auch, dass meine Mutter froh gewesen wäre, wenn sie mich irgendwie hätte abschieben können. Sie wusste ja nun, dass sie mir nicht mehr helfen konnte. Sie telefonierte ständig mit irgendwelchen Behörden und Drogenstellen rum und sah dabei immer verzweifelter aus, denn sie merkte, dass ihr und mir keiner helfen wollte oder konnte. Sie drohte nur noch, mich zu ihren Verwandten nach Westdeutschland zu bringen.
    Und irgendwann im Mai 1977 schnallte ich es dann auch selber mit meinem kaputten Kopf, dass ich genau noch zwei Möglichkeiten hatte: Entweder ich setzte mir möglichst bald den Goldenen Schuss, oder ich machte einen ernsthaften Versuch, vom Heroin loszukommen. Ich wusste, ich war bei dieser Entscheidung ganz allein. Auch auf Detlef konnte ich da nicht mehr rechnen. Ich konnte vor allem die Entscheidung nicht von ihm abhängig machen.
    Ich fuhr zur Gropiusstadt, zum Haus der Mitte, in das evangelische Jugendhaus, wo meine Drogenkarriere angefangen hatte. Der Club war mittlerweile zugemacht worden,

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