Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
Vom Netzwerk:
aus und fesselten sie auf den Barhocker. Dann prügelten sie mit Peitschen und anderen Sachen drauflos. Ich hatte von Typen gehört, die nach der Behandlung im Getränkelager des Sound wochenlang mit Schädelbruch oder anderen kaputten Knochen im Krankenhaus gelegen hatten. Die waren danach so eingeschüchtert, dass sie vor der Polizei nicht auspackten. Die von der Geschäftsführerclique machten das aus Sadismus, aber auch, um die Fixer aus dem Laden herauszuhalten, weil die Behörden ja ständig drohten, das Sound zu schließen. Fixerbräute, die mit Typen von der Geschäftsführerclique pennten, wurden allerdings nie belästigt. Dieses Sound war ein total brutaler Schuppen. Wenn die Eltern gewusst hätten, was in »Europas modernster Diskothek« wirklich ablief, hätten sie ihre Kinder wohl nie hingelassen. Da wurde weiter angefixt und Zuhälter keilten sich Teenager, ohne dass die Geschäftsführerclique dagegen irgendetwas unternommen hätte.
    Ich stand also vor der offenen Tür des Getränkelagers und bekam die totale Panik. Mit einer Kraft, die ich eigentlich gar nicht mehr hatte, riss ich mich von dem Typen los und rannte wie eine Wahnsinnige zum Ausgang. Ich kam auch bis auf die Straße, bevor der Typ mich eingeholt hatte. Er packte mich und schmiss mich volles Rohr gegen ein Auto. Ich spürte die blauen Flecken nicht. Ich hatte plötzlich nur panische Angst um Detlef. Die wussten, dass wir immer zusammen waren. Und ich hatte Detlef nicht mehr gesehen, nachdem er total breit auf die Tanzfläche ging.
    Ich lief zu einer Telefonzelle und rief die Polizei an. Ich sagte den Bullen, dass mein Freund gerade im Sound zusammengeschlagen würde. Die Bullen schienen voll begeistert, dass ich ihnen das erzählte. Schon nach ein paar Minuten kamen sie mit einem ganzen Mannschaftswagen. Die wollten ja endlich Beweise gegen das Sound, um den Laden dichtzumachen. Mindestens ein Dutzend Polizisten hat den Laden durchstöbert, um Detlef zu finden. Aber von Detlef keine Spur. Da kam ich auf die Idee, bei Rolf anzurufen. Detlef lag schon im Bett.
    Die Bullen sagten: »Bist wohl auf ’nem Trip. Mach so was nicht noch mal mit uns.« Ich fuhr nach Hause und dachte echt, das Dope habe mich mittlerweile irre gemacht.
    Die einzige Folge meiner verschiedenen Festnahmen war, dass ich eine Vorladung zur Kriminalpolizei bekam. Ich sollte mich nachmittags um drei bei der Kriminalpolizei, Gothaer Straße, Zimmer 314 einfinden. Ich habe die Zimmernummer nie wieder vergessen, weil ich später noch öfters da hinmusste.
    Ich ging von der Schule erst mal nach Hause, um mir noch einen ordentlichen Druck zu machen. Ich dachte mir, wenn ich voll drauf bin, dann können die Bullen mir nichts anhaben. Ich hatte aber keine Zitrone mehr und das Dope sah ziemlich unsauber aus. Es wurde zu dieser Zeit sowieso immer unsauberer. Der Stoff ging von Hand zu Hand, vom Groß- über den Mittel-zum Kleindealer, und jeder kippte noch irgendwas dazu, um den Verdienst zu erhöhen.
    Ich musste dieses total verdreckte Dope irgendwie auflösen. Ich nahm einfach Essig, weil da ja auch Säure drin ist. Ich schüttete den Essig aus der Flasche auf den Löffel, auf dem schon das Dope war. Ich kippte viel zu viel Essig drauf. Ich musste also diese Essiglösung in die Vene jagen, weil ich sonst das H hätte wegschmeißen müssen.
    Kaum hatte ich das Zeug reingeknallt, war ich weg. Ich wachte erst nach über einer Stunde wieder auf. Die Spritze steckte noch im Arm. Ich hatte tierische Kopfschmerzen. Ich konnte zunächst nicht aufstehen. Ich dachte, es wäre so weit, ich würde sterben. Ich lag auf dem Fußboden und heulte. Ich hatte Angst. Ich wollte nicht so allein sterben. Ich bin regelrecht auf allen vieren zum Telefon gekrochen. Es hat sicher zehn Minuten gedauert, bis ich es schaffte, die Geschäftsnummer von meiner Mutter zu wählen. Ich sagte nur ein paar Mal: »Bitte, bitte, Mutti, komm, ich sterbe.«
    Als meine Mutter dann kam, konnte ich schon wieder aufstehen. Ich riss mich zusammen, obwohl mir der Kopf noch immer zu zerplatzen schien. Ich sagte: »Das war wieder so ein dämlicher Kreislaufanfall.«
    Meine Mutter ahnte wohl, dass ich gedrückt hatte. Sie hatte ein sehr verzweifeltes Gesicht. Sie sagte gar nichts. Sie sah mich immer nur mit diesen traurigen, verzweifelten Augen an. Ich konnte diesen Blick nicht ertragen. Er bohrte sich in meinen Kopf, der zu zerplatzen schien.
    Meine Mutter fragte schließlich, ob ich etwas haben wollte. Ich sagte: »Ja,

Weitere Kostenlose Bücher