Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Sozialarbeiter mal erzählt, wie wir früher etwas gebaut hatten, Höhlen und richtige Baumhütten. Ohne Hammer und ohne einen einzigen Nagel. Aus irgendwelchen Brettern und Ästen, die wir fanden. Und jeden Tag, wenn wir wieder hinkamen, haben wir wieder daran rumgebastelt und alles verändert. Und das hat den Spaß gemacht. Der Sozialarbeiter hat mich sicherlich verstanden. Aber er hatte ja seine Verantwortung und seine Vorschriften.
Im Anfang hatten wir noch eigene Ideen, was man auf dem Abenteuerspielplatz machen könnte. So wollten wir einmal Steinzeitfamilie spielen und über einem Feuer eine richtige Erbsensuppe kochen. Der Sozialarbeiter fand die Idee prima. Aber leider, sagte er, Erbsensuppe kochen, das ginge nicht. Ob wir nicht eine Hütte bauen wollten. Mit Hammer und Nägeln – in der Steinzeit.
Bald wurde der Spielplatz wieder geschlossen. Sie sagten uns, sie wollten ihn umbauen, damit wir auch bei schlechtem Wetter spielen könnten. Dann wurden Eisenträger abgeladen, Betonmischmaschinen kamen und ein Bautrupp. Sie bauten einen Betonbunker mit Fenstern. Ernsthaft, so einen richtigen Betonsilo. Keine Blockhütte oder so etwas, sondern einen Betonklotz. Die Fenster waren schon nach ein paar Tagen eingeschmissen. Ich weiß nicht, ob die Fenster von den Jungen alle eingeschmissen wurden, weil das Betonding sie so aggressiv machte. Oder ob man unser Spielhaus gleich als Bunker baute, weil in Gropiusstadt alles kaputtging, was nicht aus Eisen oder Beton war. Der dicke Betonsilo nahm nun schon einen großen Teil des Abenteuerspielplatzes ein. Dann haben sie da noch eine Schule direkt drangebaut und die bekam ihren eigenen Spielplatz, den mit Blechrutsche, Klettergerüst und ein paar senkrecht eingegrabenen Holzbohlen, hinter denen man ganz gut pinkeln konnte. Der Schulspielplatz wurde in den Abenteuerspielplatz reingebaut und mit Maschendraht abgeteilt. Da gab es dann nicht mehr viel Abenteuerspielplatz.
Auf dem bisschen Abenteuerspielplatz, das dann noch war, machten sich immer mehr die älteren Jungen breit, die wir Rocker nannten. Sie kamen nachmittags schon besoffen da an, terrorisierten die Kinder und machten einfach kaputt. Kaputtmachen war so ungefähr ihre einzige Beschäftigung. Die Sozialarbeiter kamen gegen sie nicht an. Da war dann der Abenteuerspielplatz sowieso meistens geschlossen.
Dafür bekamen wir Kinder eine richtige Attraktion. Sie bauten einen Rodelberg. Im ersten Winter war das schon toll. Wir konnten uns unsere Pisten vom Berg selber wählen. Wir hatten eine Todesbahn und leichte Strecken. Die Jungs, die wir Rocker nannten, machten es gefährlich. Sie bildeten Ketten mit den Schlitten und legten es regelrecht darauf an, uns umzufahren. Aber man konnte ihnen auf andere Pisten ausweichen. Die Tage mit Schnee gehörten zu meinen schönsten Tagen in Gropiusstadt.
Im Frühling machte es dann auf dem Rodelberg beinah ebenso viel Spaß. Wir tobten da mit unseren Hunden rum und kugelten uns die Abhänge runter. Das Tollste war, mit dem Fahrrad da rumzugurken. Die Abfahrten waren irre. Es sah gefährlicher aus, als es war. Denn wenn man mal stürzte, fiel man auf dem Gras ja weich.
Das Spielen auf dem Rodelberg haben sie uns bald verboten. Sie haben gesagt, dass sei ein Rodelberg und kein Tobeplatz und schon gar keine Radrennbahn. Die Grasnarbe müsse sich erholen und so weiter. Wir waren nun schon so alt, dass wir uns aus Verboten überhaupt nichts mehr machten, und gingen weiter auf den Rodelberg. Da kamen eines Tages die Männer vom Gartenbauamt und legten einen richtigen Stacheldrahtverhau um den Rodelberg. Wir gaben uns nur für ein paar Tage geschlagen. Dann besorgte jemand eine Drahtschere und wir schnitten ein Loch in den Stacheldraht, das groß genug war, um mit Hunden und Fahrrädern durchzukommen. Wenn sie das Loch wieder flickten, schnitten wir es wieder auf.
Ein paar Wochen später rückten wieder Bautrupps an. Die begannen, unseren Rodelberg zuzumauern, zuzuzementieren, zuzuasphaltieren. Aus unserer Todesbahn wurde eine Treppe. Asphaltierte Wege durchschnitten fast alle Pisten. Auf die Plattform oben kamen Betonplatten. Ein Streifen Rasen blieb als Rodelbahn.
Im Sommer war auf dem Berg nichts mehr anzufangen. Im Winter war es auf der einen Bahn lebensgefährlich. Das Schlimmste aber war das Raufgehen. Da musste man jetzt über Steinplatten und Treppen. Die waren ständig vereist. Wir holten uns aufgeschlagene Knie, Beulen am Kopf und, wenn es böse kam, eine
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