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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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»Mutti hat sich richtig gefreut.«
    Klaus kam nun öfter vorbei, wenn mein Vater nicht da war. Es war ein Sonntag, das weiß ich noch genau, da schickte mich meine Mutter die Mülleimer runterbringen. Als ich wieder raufkam, war ich ganz leise. Vielleicht war ich absichtlich sehr leise. Als ich in das Wohnzimmer guckte, da sah ich, dass dieser Klaus meine Mutter küsste.
    Mir war ganz komisch. Ich schlich in mein Zimmer. Die beiden hatten mich nicht gesehen. Und ich sprach mit niemandem darüber, was ich gesehen hatte. Auch mit meiner Schwester nicht, vor der ich sonst kein Geheimnis hatte.
    Der Mann, der jetzt immer kam, wurde mir unheimlich. Aber er war nett zu uns. Er war vor allem sehr nett zu meiner Mutter. Sie lachte wieder und weinte überhaupt nicht mehr. Sie fing auch wieder an zu träumen. Sie redete von dem Zimmer, das meine Schwester und ich bekommen sollten, wenn wir mit Klaus in eine neue Wohnung ziehen würden. Aber noch hatten wir die Wohnung nicht. Und mein Vater zog bei uns nicht aus. Auch nicht, als die beiden endlich geschieden waren. Meine Eltern schliefen im Ehebett und hassten sich. Und wir hatten immer noch kein Geld.
    Und als wir endlich eine Wohnung hatten, eine U-Bahnstation weiter, in Rudow, da lief auch nicht alles so ideal. Klaus war nun fast immer da und er war irgendwie im Weg. Er war eigentlich noch immer nett. Aber er war einfach zwischen meiner Mutter und mir. Ich akzeptierte ihn innerlich nicht. Ich wollte mir von diesem Mann, der Anfang zwanzig war, nichts sagen lassen. Ich reagierte immer aggressiver auf ihn.
    Wir bekamen dann auch Krach miteinander. Wegen Kleinigkeiten. Ich provozierte manchmal diesen Krach. Meistens ging es ums Plattenspielen. Meine Mutter hatte mir zum 11. Geburtstag einen Plattenspieler, so eine kleine Funzel, gekauft und ich hatte ein paar Platten, DiscoSound, Teenie-Musik. Und abends legte ich mir dann eine Scheibe auf und drehte die Funzel so weit auf, dass es zum Ohrenzerreißen war. Eines Abends kam Klaus in das Kinderzimmer und sagte, ich solle den Plattenspieler leiser stellen. Ich tat das nicht. Er kam wieder und riss den Arm von der Platte. Ich legte ihn wieder auf und stellte mich so vor den Plattenspieler, dass er nicht drankam. Da fasste er mich an und schubste mich weg. Als dieser Mann mich anfasste, flippte ich aus.
    Wenn wir diese Kräche hatten, stellte sich meine Mutter meistens vorsichtig auf meine Seite. Dass war auch wieder blöd, denn dann wuchs sich das zu einem Streit zwischen Klaus und meiner Mutter aus und ich fühlte mich irgendwie schuldig. Es war jemand zu viel in der Wohnung.
    Nicht, dass es gelegentlich Krach gab, war das Schlimme. Schlimm war es, wenn alles ruhig war zu Hause, wenn wir alle im Wohnzimmer saßen und Klaus in einer Illustrierten blätterte oder am Fernseher rumschaltete, wenn meine Mutter versuchte, mal mit uns zu reden und mal mit ihrem Freund, und keiner richtig reagierte. Dann war es einfach unheimlich ungemütlich. Meine Schwester und ich merkten, dass wir zu viele im Wohnzimmer waren. Und wenn wir sagten, wir wollten noch mal raus, widersprach keiner. Zumindest Klaus, schien es uns, war richtig froh, wenn wir draußen waren. Deshalb blieben wir auch so oft und so lange wie möglich weg.
    Nachträglich gesehen mache ich dem Klaus gar keine Vorwürfe. Er war eben erst Anfang zwanzig. Er wusste nicht, was eine Familie war. Er checkte nicht richtig, wie sehr unsere Mutter an uns und wir an unserer Mutter hingen. Dass wir eigentlich meine Mutter ganz brauchten in der kurzen Zeit, die wir sie abends und an Wochenenden sahen. Er war wahrscheinlich eifersüchtig auf uns und wir bestimmt auf ihn. Meine Mutter wollte für uns da sein und ihren Freund nicht verlieren und war wieder überfordert.
    Ich reagierte laut und aggressiv auf diese Situation. Meine Schwester aber wurde immer stiller und litt. Sie wusste sicherlich selber nicht genau, worunter sie litt. Aber sie sprach öfter davon, dass sie zu meinem Vater ziehen wollte. Das war für mich eine ganz verrückte Idee, nach all dem, was wir mit meinem Vater durchgemacht hatten. Aber nun bot er uns tatsächlich an, zu ihm zu kommen. Er war wie ausgewechselt, seit er von uns weg war. Er hatte eine junge Freundin. Und er schien immer guter Laune zu sein, wenn wir ihn trafen. Er tat unheimlich nett. Und er war es eigentlich auch. Er schenkte mir wieder eine Dogge, eine Hündin.
    Ich wurde zwölf, bekam ein bisschen Busen und begann mich auf eine ganz komische Art für

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