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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
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bedeuten.Abgesehen davon sind viele Evolutionsbiologen der Ansicht, dass die natürliche Selektion so auch gar nicht funktioniert. Sie kommt im Gegenteil bei Individuen zum Tragen  – durch ihren Erfolg oder Misserfolg bei der Fortpflanzung –, wohingegen Theorien wie die vom »altruistischen Tod« auf der Vorstellung beruhen, Altern und Sterben würden sich auf die gesamte nachfolgende Generation auswirken. (Gäbe es für einzelne Individuen die Möglichkeit, ihren Nachkommen durch den eigenen Tod direkte Vorteile zu verschaffen, wäre diese Theorie weit überzeugender.)
    Tatsächlich verdeutlichen diese Probleme den zentralen Gegensatz von Evolution, Alterung und Tod. Denn wenn es bei der Evolution darum geht, Gene zu befördern, die einzelnen Individuen Vorteile verschaffen, wie kann es dann sein, dass sich Dinge wie Alterung und Tod herausbilden, also Dinge, die zur Zerstörung von Individuen führen? Vereinfacht gesagt, ist die Evolution bestrebt, Lebewesen zu verbessern, während der Alterungsprozess sie schlechter werden lässt – und diese beiden Dinge gehen einfach nicht zusammen.
    All dies hat dazu geführt, dass sich die Erforscher von Alterungsprozessen in zwei Lager geteilt haben. Nach Meinung der einen hat sich der Alterungsprozess als ein aktiver Vorgang herausgebildet, als ein Bestandteil des Lebens, der Verfall und Absterben bewirkt und ein Stück weit der Nachkommenschaft zugute kommt. Die andere Gruppe glaubt, dass sich Alterung nicht als eigenständiger Vorgang herausgebildet hat, sondern vielmehr passiv und quasi als Nebeneffekt anderer Entwicklungen hervorgebracht wurde, etwa dem Umstand, dass es für ein Lebewesen erheblich sinnvoller sein kann, sich auf die Fortpflanzung zu konzentrieren, als sich vornehmlich um den Erhalt des eigenen Körpers zu kümmern. Dieser Theorie zufolge existiert so etwas wie vorprogrammiertes Altern nicht – keine »Todesuhr« also –, eherversagt der Körper Schritt für Schritt den Dienst, weil es schlicht und einfach Wichtigeres gibt, als ihn zu reparieren.
    Diese Aufspaltung in aktiv und passiv durchzieht die zeitgenössische Altersforschung, und er ist von allergrößter Bedeutung für diejenigen, die mit dem eigenen Alterungsprozess konfrontiert sind – und zwar im wörtlichen Sinn, wenn sie nämlich im Spiegel ihre Runzeln und Fettpolster betrachten. Vor allem, was uns selbst betrifft, müssen wir, um die negativen Aspekte des mittleren Alters ein bisschen aufwerten zu können, erst einmal verstehen, was Altern überhaupt ist . Denn wenn es sich um einen aktiven, spezifischen, vorprogrammierten biologischen Mechanismus handelt, müsste man es doch verzögern können, indem man irgendwie auf diesen Mechanismus zugreift. Im anderen Fall, als fortschreitender Prozess eines zunehmenden Versagens von Körperfunktionen betrachtet, bleibt einem nichts anderes übrig, als jedem dieser Ausfälle einzeln entgegenzuwirken.
    In der Mitte des 20. Jahrhunderts gewann die Passiv-Theorie an Zulauf. Erneut betrachtete man den menschlichen Körper wie eine Maschine  – eine komplizierte Maschinerie mit unzähligen Teilen, von denen jeder einzelne irgendwann versagen kann. Und im Lauf der Zeit versagt in der Tat ein Teil nach dem anderen seinen Dienst. Wenn wir jung sind, ist unser Körper insgesamt noch so unversehrt, dass wir es gar nicht bemerken, aber nach und nach kriegen wir es mit. Wenn wir älter werden, gehen immer mehr Teile des Körpers kaputt, und diese vielen, nicht wirklich wahrnehmbaren Störfälle resultieren dann in den Symptomen des Alterns und führen unweigerlich zum Tod – dies ist ganz grob die Multi-Hit-Theorie oder Knudson-Hypothese.
    Dieses neue Verständnis des Alterns erklärte außerdem, warum Tiere sich nicht mehr bemühen, die Auswirkungen des Alterns abzumildern. Denn selbst bei Tierarten, die sehr alt werden,geben junge Erwachsene viel mehr Gene an die nächste Generation als ältere Erwachsene. Ein älterer Mensch mag noch so gut beieinander sein, er wird nie so viele Jahre der Fortpflanzung vor sich haben wie ein junger Mensch. Und weil die Fortpflanzung das A und O der natürlichen Auslese ist, greift die natürliche Selektion vornehmlich bei den Jungen – die Jungen zeugen mehr Kinder und sind von der evolutionären Entwicklung betroffen. Selbstredend wird auch das hohe Alter von der Selektion begünstigt, nur nicht mehr so stark  – es sind also auch die späteren Lebensabschnitte von einer Entwicklung betroffen, doch

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