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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
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die Notwendigkeit einer Anpassung ist hier viel geringer. Auch aus diesem Grund sind Menschen mittleren Alters von Interesse: Sie sind in evolutionärer Hinsicht längst nicht so wichtig wie die Jungen, aber auch bei Weitem nicht so unbedeutend wie die Alten. Vielmehr stellen sie den faszinierenden Graubereich zwischen Jung und Alt dar.
    Die reduzierte evolutionäre Bedeutung älterer Erwachsener hat unter anderem den Effekt, dass die Spezies Mensch Gene angesammelt hat, die bei den Älteren wiederum zum Tragen kommen. Das ist aber kein bösartiger Prozess – wir haben nicht absichtlich Gene ausgebildet, um älteren Menschen das Leben schwer zu machen. Eher verhält es sich so, dass Gene, die beschädigt oder sonstwie verändert sind und dadurch im Alter einen Verfall verursachen, aus dem Genpool der Population schlichtweg nicht ausgesondert werden. Im Verlauf der Evolution des Menschen konnten Individuen sich problemlos fortpflanzen, obwohl sie Träger dieser Gene waren – denn sie spielen erst im Alter eine Rolle. Und so hat die Spezies Mensch die Gene, die im Alter den fortschreitenden Verfall verursachen, nie ausgesondert – was für uns bedeutet, dass wir mehrere Jahrzehnte voller Falten, Wehwehchen oder gar Schmerzen vor uns haben.
    Die Theorie des passiven Alterns kann auch noch zu einemanderen Resultat führen, und dieses ist jetzt bösartig. Der Mechanismus, um den es hier geht, hat die furchtbare Bezeichnung »antagonistische Pleiotropie« und versetzt ältere Menschen tatsächlich in eine schwierige Lage. In diesem Gedankenmodell bleiben Gene, die die Fortpflanzung bei den Jungen befördern, erhalten, selbst wenn sie sich im Alter nachteilig auswirken. Anders ausgedrückt steht die Fortpflanzung derart im Mittelpunkt, dass irgendwelche Schäden, die nach der Reproduktionsphase auftreten, überhaupt keine Rolle mehr spielen. In der Tat kann man das Altern als Resultat eines Konflikts sehen, nämlich des Konflikts zwischen dem Anspruch, am Leben zu bleiben, und der nicht zu leugnenden Tatsache, dass es nun mal die Jungen sind, die sich fortpflanzen. Ein Beispiel sind die Sexualhormone: Sie steuern bei den Jungen die Reproduktion und befördern bei Älteren das Wachstum von Tumoren. Bei Hunden hat man festgestellt, dass eine Kastration sie weniger anfällig für Tumore macht und darüber hinaus im späteren Leben DNA-Schäden im Gehirn verringert. Der Zusammenhang zeigt sich auch ganz klar bei Höckerschwänen: Diejenigen, die schon früh mit der Fortpflanzung beginnen, hören auch früher mit dem Eierlegen auf  – sie erreichen so durch vorzeitige Fruchtbarkeit einen späteren Verfall. Über all diese Beweise aus der Tierwelt hinaus kommen Untersuchungen am Menschen zu den gleichen Ergebnissen – eine historische Studie von Lebensdauer und Fruchtbarkeit bei aristokratischen (und deshalb sehr gut dokumentierten) europäischen Familien konnte nicht belegen, dass frühzeitige Fruchtbarkeit und das Erreichen eines hohen Alters sich ausschließen.
    Verbunden mit diesen Vorstellungen vom passiven Altern ist  die sogenannte »Disposable Soma«- oder »Wegwerfkörper«-Theorie, die den Middle-Agern das Leben zu allem Unglück noch schwerer macht. Nach dieser Theorie vernachlässigt die natürliche Selektion nicht nur ältere Individuen, weil die Jungen einfachwichtiger sind; sie lässt darüber hinaus zu, dass auch der mittelalterliche Körper dem Verfall anheimgegeben wird. Jeder weiß, dass nur unsere Samen- und Eizellen für das Entstehen der nächsten Generation verantwortlich sind, und dennoch sind die Wenigsten bereit zu akzeptieren, was das in evolutionärer Hinsicht bedeutet  – dass nämlich der restliche Körper nur die Funktion hat, diese Ei- und Samenzellen zusammenzubringen und aus ihnen Babys zu machen. So gesehen ist unser Körper (Soma) nichts weiter als ein Wegwerfartikel. Die natürliche Selektion kümmert sich um den Erhalt oder die Reparatur des Körpers nur in dem Maß, wie er für eine erfolgreiche Fortpflanzung tauglich ist, und erstaunlich früh in unserem Leben (etwa mit zwanzig Jahren) rutscht die Aufgabe, für den Erhalt des Körpers zu sorgen, auf der Liste unserer Prioritäten nach unten. Und schlimmer noch, der Körper kann bereits abbauen, auch wenn er noch nicht komplett nutzlos ist – vergleichbar etwa mit einem Wagen, der nicht mehr im Topzustand ist, aber trotzdem noch ein paar Jahre gefahren werden kann, bevor er endgültig den Geist aufgibt. Beim Middle-Ager

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