Wir nennen es Politik
mit einer Journalistin einer Online-Zeitung über die Boulevardisierung in der Politik.
»Verstehen Sie«, sagte ich, »ich habe nichts gegen Boulevard. Von mir aus können sich Menschen gern für Ehen und Kinder von Stars interessieren. Ich verstehe nur nicht, warum man auch in der politischen Berichterstattung so viel Unnötiges über Personen auffahren muss.«
Sie nickte bedächtig und erzählte: »Die Kollegen von der BILD online schreiben ja immer gerne über das, was Merkel so isst. Und ich denke mir immer: ›Da interessiert sich doch kein Mensch für, ob Merkel bei ihrem Besuch in China jetzt Hackbraten oder Ente gegessen hat.‹ Aber wenn die Leute, die gar nichts mit Politik zu tun haben, auf die Überschrift klicken, erfahren sie immerhin, dass Merkel in China war und was sie da wollte. Auch wenn Unwichtiges im Fokus steht. Das ist doch schon mal was, oder? Unsere Aufgabe ist es ja auch, Politik zu den Menschen zu bringen, die sich nicht dafür interessieren. Es ist ein bisschen wie Kindern heimlich Gemüse unterzuschieben, indem man es in einen Teigmantel tut.«
Das klingt erst mal überzeugend. Mit den Mitteln eines freien Marktes wird Bildung an den Leser gebracht. Und doch birgt es ein großes Problem. Menschen werden wie Kleinkinder behandelt, Politik wie Gemüse. Wenn wir Leser von Online-Portalen einerseits nicht für voll nehmen, andererseits ihnen politische Macht in die Hand geben, indem wir Demokratie stärken, dann läuft da was falsch. Ich bin der Überzeugung, dass, wenn wir Erwachsene wie Erwachsene behandeln, sie sich wie Erwachsene verhaltenwerden. Wenn wir Menschen klarmachen können, wie viel von jedem Einzelnen abhängt, wird er für Information dankbar sein, die er zur Erfüllung der Aufgabe dringend braucht.
Je wichtiger Erwachsenenbildung wird – und sie wird immer wichtiger –, desto größer wird die Verantwortung einzelner Fernseh- und Radiosender, einzelner Zeitungen und Magazine, die bewusst in die Tiefe gehen und versuchen, politische Details realistisch darzustellen.
Doch solange die Medien diese Verantwortung nicht wahrnehmen oder nicht wahrnehmen können, steht die Frage im Raum, ob politische Erwachsenenbildung auch und zunehmend an anderer Stelle stattfinden muss.
Es gibt durchaus Alternativen. Es existieren unzählige Primärquellen im Netz. Und sie kommen in Mode. Der Vormarsch der vielen kleinen Blogs und der »Social Media« zeigt das. Wenn ich Positionen einer Partei kennenlernen will, kann ich ja immer auf ihrer eigenen Website gucken, wissenschaftliche Blogs bieten meistens gut fundierte Informationen mit Links direkt auf die Quellen, sogar Gerüchte über Promis kann man heute leicht durch einen Blick auf deren eigenen Twitter-Account prüfen. Das Problem ist nicht die mangelnde Verfügbarkeit der Quellen. Das Problem ist, dass das Internet die klassischen Medien in bestimmten Punkten nicht ersetzen kann und nie ersetzen wird. Denn der Nachteil Letzterer besteht zwar darin, dass man sein Programm nicht so leicht selbst zusammenstellen kann – aber ihr Vorteil besteht darin, dass man sein Programm nicht so leicht selbst zusammenstellen kann.
Auch das Internet baut Filter, indem es aktiven und auswählenden Konsum erfordert. Doch der Filter ist subjektiv. Ich schaue nach, was mich interessiert. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich dabei in ein neues Themenfeld vordringe, ist sehr gering. Wenn ich mich über Fischerei informiere, werde ich kaum durch Zufall erfahren, dass es Ausschreitungen in Syrien gibt und welche Hintergründe das hat. Solche Nachrichten bekomme ich zumeist aus Medien, die schon fertige Pakete geschnürt haben. Wie in der Schule eben.
Die neuen Medien sind eine großartige Ergänzung der alten. Sie werden aber kein Ersatz sein.
Aber wir haben in Deutschland viele Organisationen für politische Bildung. Die Bundeszentrale für politische Bildung, parteinahe Stiftungen, verschiedene Verbände und Bildungsträger bieten Seminare, Texte, Animationen und interaktive Lerneinheiten für Interessierte an. Das Problem hier ist, dass die Angebote relativ unbekannt sind und ohne gezielte Suche meist nicht gefunden werden. Dazu kommt, dass die meisten Organisationen nicht unbedingt das breite Publikum erreichen. Es gibt inzwischen sehr gute Ideen und Konzepte für Online-Angebote, die auch tatsächlich alle Möglichkeiten des Internets nutzen. Leider müssen sich diese Ideen innerhalb ihrer Organisation noch durchsetzen, denn Mittel werden bisher
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