Wir nennen es Politik
sind dieAusländer schuld. Nahostkonflikt? DIE haben angefangen. Wenn wir in unserer sehr komplexen Welt ein Problem haben, können wir mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die einfachste Lösung meistens keine wirkliche Lösung ist. Daran sollten wir immer denken.
Wenn wir mehr Demokratie fordern, dann vertrauen wir den Menschen. Und ich vertraue ihnen. Und zwar auch darin, populistische Forderungen als solche zu durchschauen. Menschen können das gut. Zumindest dann, wenn sie sich bilden – ein Leben lang.
Politische Bildung, die Medien und die Vernetzung des Wissens
Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich das menschliche Gehirn ziemlich beachtenswert finde. Es baut Netzwerke, die sich ständig verändern, und diese Veränderung nennen wir dann Lernen. Wir passen uns der Welt an und wir sind begierig darauf, neues Wissen aufzunehmen. Und als Gesellschaft tun wir eigentlich dasselbe. Seit dem Mittelalter haben wir uns als Gesellschaft deutlich verändert, um es mal wertneutral zu formulieren. Einen großen Teil dazu hat die Aufklärung beigetragen. Schon die hielt große Stücke auf den menschlichen Verstand und Bildung.
Bildung ist natürlich nicht nur die Aneignung von Fakten. Wir lernen faktisches Wissen, aber wir lernen auch die Verwendung und Bewertung von Quellen faktischen Wissens (wie beispielsweise Medienkompetenz) und wir lernen, Wissen auf bestimmte Weise zu verarbeiten. DasVorhandensein und die Fähigkeit zum Umgang mit Wissen machen eine Person erst wirklich selbständig. Klar, wenn ich eine Sache bewerten kann, muss kein anderer sie für mich bewerten und mir von oben sagen, ob sie gut oder schlecht ist. Bildung ist also die Voraussetzung dafür, nicht fremdbestimmt zu sein. Und dies ist ein Kerngedanke der Piratenpartei. Je häufiger ich mit anderen Mitgliedern über unser Programm diskutiere, desto häufiger stelle ich fest, dass gute, unabhängige und umfassende Bildung eigentlich den Kern und die Voraussetzung für beinahe jeden unserer Programmpunkte bildet. Das bedingungslose Grundeinkommen wird nur zu gesteigerter Produktivität führen, wenn wir Menschen mit einer gewissen Grundkompetenz ausstatten, die sie dann nutzen wollen . Die Erschließung sämtlicher Möglichkeiten und Chancen von Online-Partizipation setzt Medienkompetenz im Umgang damit voraus. Bildung ist also sehr wichtig.
Im Kapitel über politische Systeme ging es viel um Transparenz. Aber Transparenz erfordert, dass Bürger überhaupt in der Lage sind, zu verstehen, worum zur Hölle es geht. Die offensten Politiker, die übersichtlichsten Daten, die klarsten Verhältnisse werden uns nichts bringen, wenn keiner die Information einordnen und ihre Konsequenzen verstehen kann. Wenn wir uns überhaupt über so etwas wie Transparenz und Mitbestimmung unterhalten wollen, müssen wir zuerst über Bildung sprechen. Aber woher bekommen wir eigentlich Informationen über Politik?
Nehmen wir mich mal als Versuchsperson. Meine erste politische Bildung fand, wie bei so vielen, natürlich in derSchule statt. In Sozialwissenschaft sind wir damals die politischen Strukturen Deutschlands durchgegangen. Bundestag, Bundesrat, Bundesversammlung. Ich weiß noch, dass ich das meiste davon wenige Jahre nach dem Abitur wieder vergessen habe. Ich erinnere mich an bunte Organigramme dazu, wer Gesetze schreibt, wer über sie abstimmt, wer ihnen zustimmen muss. Falls ich es noch mal bräuchte, könnte ich es ja wieder nachschlagen, dachte ich. (Ich brauchte es noch mal.) Diese Informationen waren formal relevant, vermittelten mir aber gleichzeitig exakt null Einblick in den tatsächlichen politischen Betrieb.
Schon eher lieferten mir da die Massenmedien ein Bild. Dort erfuhr ich auch von den tagespolitischen Ereignissen, die überhaupt erst spezifische Fragen aufwerfen. Die großen Tageszeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenmagazine im Fernsehen setzen die Themen und nehmen die erste Einordnung vor. De facto ist unsere Presse die wichtigste Institution politischer Erwachsenenbildung.
Ich bin gerade dabei, umständlich den Kleiderschrank auszurümpeln, als das Telefon klingelt. Es ist meine Großmutter. Meine Großmutter lebt in der Ukraine, sie spricht kein Wort Deutsch, verfolgt aber mit Enthusiasmus nicht nur meinen Twitter- und meinen Facebook-Account, sondern auch sämtliche Berichterstattung über mich. Ihre Stimme klingt besorgt.
»Marina, ist das wirklich wahr? Du bist zurückgetreten von deinem Amt wegen Tausender
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