Wir neuen Großvaeter
Aspekt, der für das Miteinander von uns GroÃeltern und unseren Enkeln spricht: Wir können eine Menge voneinander lernen.
Nie zuvor ist das Wissen der Alten schneller verblasst, als in den vergangenen Generationen. Auch Berufe verschwinden wie Schnee in der Sonne. Als Redakteur hatte ich es bei der Zeitung mit Schriftsetzern zu tun, heute machen Web-Designer deren Arbeit. Enkel erklären ihren GroÃeltern den Umgang mit neuen Kommunikationstechniken, mit Computer, Internet und E-Mail, sie zeigen ihnen, wie man mit den Bildern der Digitalkamera ein Fotobuch anlegt und sein Bankkonto elektronisch überblickt.
GroÃeltern wiederum lernen von ihren Enkeln viel über die aktuelle Jugendkultur und deren eigenen Sprachstil. Im Spiegel (vom 16.8.2010) wurde der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass gefragt, ob er denn immer alles verstehe, was seine Enkel meinen. »Aber ja«, so Grass. Und als er dann weiter gefragt wird, was denn bedeuten würde: »Chill mal â Der ist total
durch â Lass mal rüberwachsen«, antwortet er: »âºEntspann dich. Der ist kaputt. Gib mal herâ¹ â Es ist für mich ein wunderbarer Zugewinn, dass ich mithilfe meiner Enkel auf dem Laufenden darüber bin, was herrschender Jargon ist.«
GroÃelternschaft ist eine Strategie des Anti-Aging. Der Kopf bleibt wach, die kleinen grauen Zellen werden gefordert, seelische Gesundheit ist die Voraussetzung für körperliches Wohlbefinden.
Auffallend ist, dass die heutigen GroÃväter eher eine antiautoritäre Rolle einnehmen und besonders hilfreich agieren können, wenn ihre Enkel in der Pubertät mit den Eltern aneinandergeraten. Obwohl im Teenageralter der Kontakt zu Freunden wichtiger wird, bleiben die GroÃeltern oft die letzte Instanz, wenn es um Konflikte im Familienverbund geht. Früher ging in dieser Lebensphase der Kontakt zum GroÃvater und zur GroÃmutter verloren, im Zeitalter von Mobiltelefonen und E-Mail-Verbindungen ist dies kein Problem mehr.
Allerdings sind nicht alle meine Altersgenossen bereit, sich dieser Art von Verjüngungskur zu unterziehen und sich auf die Lebenswelten ihrer Kinder und Enkel einzulassen.
»Um solche Beziehungen zu gestalten, muss man soziale Fähigkeiten haben, die aber nicht in allen Milieus gleichermaÃen vorhanden sind«, meint die Soziologin Cornelia Hummel von der Universität Genf. »Die neuen GroÃeltern sind vor allem ein Mittel â und Oberschichtenphänomen.« Davon mal abgesehen gibt es sicherlich weiterhin jene altbekannten Opas und Omas, die alles besser wissen, nicht zuhören wollen und immer
die gleichen Geschichten erzählen. Vor den Preis haben auch hier die Götter den Schweià gesetzt: Ein aufgeschlossenes Verhältnis zwischen den Generationen muss oft hart erarbeitet werden.
Egal, ob die Beziehungen nun gut oder schlecht sind, prägend sind sie allemal. Pädagogen sprechen vom »kulturellen Erbe«, das von einem Kind verinnerlicht wird.
Enkel registrieren sehr wohl, ob in der Familie Achtung und Respekt voreinander herrschen, ob die Eltern ihre Konflikte lautstark vor den anderen austragen und ob die GroÃeltern mit ihnen auch mal ins Konzert oder ins Kino gehen oder sie einfach vor dem Fernsehapparat absetzen. Jeder von uns ist verstrickt in machtvolle Familienstrukturen, und dieses Erbe kann niemand einfach ausschlagen. Unsere Ahnen üben â ob wir das wollen oder nicht â über die Zeiten hinweg einen groÃen Einfluss auf uns aus.
Umso verantwortungsvoller sind unsere Positionen als GroÃvater und GroÃmutter. Wir sind für unsere Enkel eine erste wichtige Brücke in die Welt auÃerhalb des Elternhauses. Wir stammen nicht nur aus verschiedenen Epochen, wir befinden uns auch an gegensätzlichen Stationen unseres Lebensweges.
Unsere Enkel stehen am Anfang ihrer Biografie, wir können am Horizont bereits den Regenbogen über der Ewigkeit ausmachen.
Vielleicht sind wir mit den Jahren ein bisschen weise geworden und können unsere Enkel mit unseren Erzählungen in die Geschichte unserer Familie einbinden. GroÃvater und GroÃmutter
zu sein, ist eine ziemlich gute Rolle im Theaterstück unseres Lebens. »GroÃeltern«, sagt der Zürcher Soziologe François Höpflinger, »gehören zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu den wenigen positiv besetzten Altersbildern.« ( NZZ v. 25.2.2007)
Als GroÃvater muss ich
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