Wir schaffen es gemeinsam
verletzten Stolz zu deutlich zeigst. Du mußt die Freundschaft vorläufig pflegen und sehen, was daraus wird. Vielleicht bricht er eines schönen Tages mit ihr. Oder, wie gesagt, vielleicht ist es doch seine alte Tante.“
„Eine alte Tante von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, ja. Aber, was ich sagen wollte – du mußt also morgen von sechs Uhr ab – ich meine von achtzehn Uhr – im Hause sein. Ist dir das klar?“
„Sonnenklar. Gute Nacht, Wipps, schlaf gut, und schönen Dank für alles heute.“
„Gleichfalls, du. Gute Nacht, Rembrandt.“
Kritiken und Kaffeebesuch
„Kneif mich mal in den Arm,“ sagte Yvonne. „Das kann doch nicht wahr sein!“
Sie saß in Zeitungen vergraben. Ich las über ihre Schulter hinweg.
Nur Superlative. Sachliche, ausführliche Kritiken. Ein paar machten geltend – wie sie es erwartet hatte – , daß „Blasse Lenzsonne“ etwas zu skizzenhaft sei, aber – und alles, was nach diesem „Aber“ kam, war so, daß das Skizzenhafte nichts mehr ausmachte. Der Verkauf der „Mouche“ war sogar in ein paar Überschriften erwähnt. Es kam offenbar nicht alle Tage vor, daß ein Gemälde zwanzig Minuten nach Eröffnung der Ausstellung verkauft wurde.
„Endlich“, sagte ich. „Es war weiß Gott auch Zeit, daß die Leute dein Vorhandensein bemerkten, und daß du malen kannst.“
„Ach was, nur ruhig Blut,“ antwortete Yvonne. „Denk doch ja nicht, daß man von ein paar Kritiken leben kann. Die Leute, die das lesen, haben mich vermutlich in vierzehn Tagen wieder völlig vergessen. Nicht die Maler natürlich, nicht die paar, die an Malerei interessiert sind. Aber das Publikum! Das große Publikum, von dem ich leben soll! Ach ja, die vergessen unwahrscheinlich schnell.“
„Nein, jetzt siehst du zu schwarz,“ wandte ich ein. „Du darfst nun deine Mitmenschen auch nicht unterschätzen.“
„Nein, nein,“ sagte Yvonne zahm. „Apropos, erinnerst du dich an Merete Manders?“
Ich überlegte. Mir kam der Name bekannt vor: „Ja… ist sie nicht Schauspielerin?“
„Nein. Sängerin. Sie gab im Frühjahr hier ein Konzert. Hast du die Kritiken gelesen?“
„Ja… warte mal. Doch, sie hatte doch viel Erfolg, nicht wahr?“
„Sie ist mit genau den gleichen schmückenden Beiwörtern belegt worden wie ich heute. Ich weiß es noch genau, denn ich kenne sie von Paris her, ich las also mit besonderem Interesse darüber. Aber nun kannst du sehen, wieviel du von ihr noch behalten hast. Man kann nicht davon leben, daß man Konzerte gibt, und Merete schindet sich mit Gesangsunterricht durchs Dasein. Ach nein, mein Herz, behalten wir lieber einen kalten Kopf und die Füße auf der Erde.“
Ich mußte übrigens befürchten, daß Yvonnes Kopf keineswegs so kalt war und daß sie mit ihren Füßen ein ganzes Stück über dem Erdboden schwebte, trotz allem. Den Anschein hatte es jedenfalls, als sie ein Weilchen später in die Stadt ging.
Sie mußte in die Ausstellung – es war ihr unmöglich, fernzubleiben. Wir hatten verabredet, daß ich gegen vierzehn Uhr nachkommen sollte. Ich hatte in der Anzeige angegeben, daß ich zwischen elf und vierzehn Uhr anzutreffen sei.
Es kamen drei Mütter, die eine mit zwei Kindern, die anderen mit je einem. Ich empfing sie in weißem Kittel und war so nett, wie es mir möglich war. Die Kinder durften mit meinem neu erworbenen Plastilin spielen und wurden kurz vor vierzehn Uhr wieder abgeholt. Ich verkündete, mit dem „zwischen elf und vierzehn Uhr“ sei nur gemeint gewesen, daß die Mütter heute kommen könnten, um mit mir zu reden. Später nähme ich die Kinder natürlich auch vor elf und nach vierzehn Uhr.
Mütter und Sprößlinge schienen zufrieden, und ich war froh und aufgeräumt, als ich in die Ausstellung kam.
Ich fand Yvonne ziemlich schnell. Sie stand mit einem großen älteren Herrn zusammen vor dem „Blühenden Kaktus“. Als ich näher trat, durchfuhr mich ein kleiner Schreck. Das war ja – das mußte doch…
Yvonne hatte mich erspäht. „Ach, da bist du ja, Wipps – willst du nicht meinem Vater guten Tag sagen?“
Herr Direktor Björgedal war höflich und ein wenig gemessen. Er sah mißbilligend über die Reihe der abstrakten Kompositionen hin, kopfschüttelnd auf einige von den grünen, badenden Menschen und total verständnislos auf ein Bild, das ich insgeheim „Spiegeleier im Sturm“ getauft hatte, das aber im Katalog „Frau mit Strickzeug“ hieß. Er steuerte auf die „Blasse Lenzsonne“ zu.
„Du hast
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