Wir schaffen es gemeinsam
auch.
Yvonne Brünier – stand da – ist mit fünf Bildern vertreten. „Mouche“ neunhundert Kronen. „Frühstückstisch“ tausend Kronen. „Nini“ im Besitz von Frau Dr. Wenck. „Blasse Lenzsonne“ fünfzehnhundert Kronen. „Blühender Kaktus“ siebenhundert Kronen.
Die blasse Lenzsonne war ich.
Steneng blieb lange davor stehen. Sagte nichts.
Dann endlich ließ er sich vernehmen: „Das ist unerhört gut.“
Irgend jemand hatte es gehört. Ein älterer Herr mit Kneifer trat näher heran. Schaute auf den Namenszug.
„Brünier – das ist die mit der Katze – ein talentvolles Mädchen. Ob sie anwesend ist?“
Ich drehte mich zu dem Bekneiferten um. „Fräulein Brünier steht dort drüben… es ist die mit dem schwarzen Haar und der roten Tasche.“
Er dankte und ging auf Yvonne zu. „Wissen Sie, wer das war?“ flüsterte Steneng.
Nein, wie konnte ich das wissen? „Bankdirektor Ring, einer der größten Kunstliebhaber der Stadt. Wenn der sich für sie interessiert, dann kann sie sich glücklich preisen. Schauen Sie, jetzt spricht er sie an.“
Wir waren beide gespannt, so als hingen unsere Zukunft und unser Glück davon ab, daß Bankdirektor Ring sich für Yvonne interessierte.
Sie gingen beide auf Mouche zu. Es machten immerfort Leute vor dem kleinen Bild halt. Wir konnten nicht verstehen, was gesprochen wurde, aber der Spazierstock des Bankdirektors beschrieb Bögen zur Erklärung, und Yvonne nickte, und hier und da zeigte sie mit dem Finger und gab Antwort. Dann stützte Herr Ring das Kinn auf den Stockknauf, wandte sich von dem Bild ab und ging mit Yvonne zusammen einige Schritte zurück. Nun beobachtete ich, wie gleich darauf ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht verklärte und sie und Herr Ring einander herzlich die Hände schüttelten.
Nanu?
Yvonne verschwand durch die Tür mit dem Schild „Kein Zutritt“ und kam gleich wieder zurück. Sie befestigte etwas an dem Rahmen der „Mouche“, einen kleinen roten Zettel:
VERKAUFT.
Kollegen kamen angestürzt und beglückwünschten sie. Und ich – ja, ich hing an ihrem Hals. Später ging es mir durch den Kopf, was Vater Björgedal wohl sagen würde, wenn er in den Zeitungen Berichte über seine Tochter las. Sie mußte ja ganz sicher eine gute Kritik bekommen. Alle Menschen waren begeistert von ihren Bildern. Am meisten von „Mouche“ und „Blasse Lenzsonne“.
Nini kam in einem neuen Kostüm, zusammen mit den Eltern.
Yvonne ging hin und begrüßte sie und führte sie herum. Sie hatte blanke Augen vor Freude, als Ninis Vater etwas über „Mouche“ und den roten Zettel sagte.
Ich trat auf die Gruppe zu.
„Soso“, sagte Ninis Vater gerade. „Mein Freund Ring war es also, der sich den Leckerbissen geschnappt hat. Ja, er weiß, was er tut, der gute Ring. Sag mir übrigens mal, Yvonne, wie geht es mit deinem Vater? Nach wie vor voller Ablehnung?“
Yvonne zuckte die Achseln. „Ich vermute. Seit einem Jahr habe ich nichts von ihm gehört, nur neulich schickte er mir eine Karte mit der Nachricht, ich sei mit einem Brüderchen beglückt worden.“
„Soso“, sagte Herr Wenck und schüttelte den Kopf. „Schade. Aber weißt du, Yvonne, ich glaube, du solltest ihn mal besuchen. Es stimmt, er ist furchtbar schroff gegen dich gewesen… ja, ich kann seine Handlungsweise auch nicht billigen. Aber du bist genauso bockig gewesen. Und die Zeit mildert alles, weißt du. Er kann ja nicht von der Tatsache absehen, daß er eine Tochter hat.“
Yvonnes Gesicht war hart geworden. „Ich finde, offengestanden, es ist ihm nicht sonderlich schwergefallen, mich fünf Jahre zu übersehen. Ich bin nicht bitter, und wenn er zu mir käme, dann würde ich alles Gewesene ohne weiteres begraben. Ihn aber besuchen – das bringe ich nicht fertig.“
„Nein, nein…“ Herr Wenck sagte nichts mehr. Steneng und ich gingen weiter und sahen uns Surrealismus, Impressionismus und verschiedene andere „Ismen“ an. Aber schließlich kehrten wir zu der „Blassen Lenzsonne“ zurück.
„Es ist das beste Bild der Ausstellung“, sagte Steneng entschieden. Und als habe mein traurig mageres Gesicht auf dem Bild ihn zu dem Gedanken angeregt, sagte er plötzlich: „Hören Sie mal, können Sie nicht mit mir zu Mittag essen?“
Wieder machte mein Herz so einen ungebärdigen Sprung, und ich fühlte, wie mein Gesicht heiß wurde.
„Ja, tausend Dank… aber Yvonne…“
„Ich hörte eben zufällig, daß Herr Wenck sie zum Essen einlud.“
„Nur sie?“
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