Wir schaffen es gemeinsam
allerlei gelernt,“ ließ er sich endlich vernehmen. Und ich meinte einen ganz kleinen Funken von Stolz in dem Blick zu gewahren, den er Yvonne zuwarf. „Aber ist das nicht – sollen das nicht Sie sein, Fräulein Grundt?“
Doch, das sollte ich sein. „Ja, die Ähnlichkeit ist ja da, aber so blaß und dünn…“
Yvonne unterbrach ihn.
„Es war nur wegen der Haltung und der Beleuchtung, daß ich ein Modell brauchte. Das Gesicht ist teilweise freie Phantasie, wie du siehst. Wibke sieht ja nicht gerade wie eine blasse Lenzsonne aus.“
Yvonne verleugnete sich nie. Ehe jemand erfuhr, daß die Blässe der Lenzsonne in hohem Maße echt war, würde sie lieber ihre eigenen Gemälde in Fetzen reißen.
„So. Nein, wahrhaftig nicht. Hm. Ja, es ist ja schön, daß die Kritiker zufrieden waren. Da du nun einmal diesen Lebensweg erwählt hast, ist es ja gut, wenn du es zu etwas bringst.“
Was für ein Eiszapfen! Und das war der Vater dieser warmherzigen, temperamentvollen Yvonne!
Aber es kommt sicher nur in amerikanischen Filmen vor, daß der harte Vater plötzlich weich wie Wachs wird, liebevoll und verständnisvoll, und Versöhnung herbeiführt mit den Tränen der Rührung im Auge und allem, was sonst zum Fach gehört. In Wirklichkeit geschehen solche Wunder nicht. Vater Björgedal drückte zum Abschied Yvonne die Hand und murmelte so etwas wie, es freue ihn, daß sie sich durchgesetzt habe. Punktum.
Yvonne blieb stehen und blickte ihm nach, wie er durch die Tür verschwand. Dann sah es so aus, als schüttelte sie etwas ab. Sie zuckte die Schultern und lächelte. Als kurz darauf ein junger Mann auf sie zutrat und etwas zu ihr sagte, war sie freundlich und aufmerksam und wieder ganz sie selber. Es stellte sich heraus, daß es ein Journalist war, der ihre Fotografie haben wollte und sie über den Verkauf von „Mouche“ befragte, und was sonst noch interessieren konnte.
Aber späterhin, als wir zu Hause beim Mittagessen saßen – die Zeiten mit Spiegeleiern und Margarine waren vorbei, jetzt hatten wir einen ordentlich gedeckten Tisch mit Fleisch und Kartoffeln und Sauce und allem Zubehör –, da sah ich deutlich, daß der Besuch des Vaters in der Ausstellung trotzdem seinen Eindruck auf Yvonne nicht verfehlt hatte. Sie war ungewöhnlich schweigsam. Wir wuschen zusammen ab, und als der letzte Teller abgetrocknet und weggestellt war und Yvonne das Handtuch aufhängte, sagte sie plötzlich: „So wahr mir Gott helfe, ich wünschte wirklich, ich hätte ein Zuhause – nicht zum Wohnen, aber um mal hingehen zu können. Ich glaube beinahe, ich wäre bereit, Vaters neue Frau anzuerkennen und mit dem Junior zu spielen.“
Es entging mir nicht, daß sie nur „Vater“ sagte und nicht „mein Vater“.
Dieser kleine Umstand verriet mir, daß trotz allem ein dünnes kleines Band zwischen dem harten und schroffen Vater und seiner stolzen, selbständigen Tochter geknüpft worden war.
Es wurde beinahe halb sieben, bis Steneng kam. Es knisterte behaglich im Ofen, und der Tisch war mit Yvonnes hübschen ausländischen Dingen gedeckt und mit meinem alten Porzellan dazwischen. Der Gesamteindruck war gut. Das Atelier war hell und freundlich, weder Yvonne noch ich fanden Geschmack an sogenannter „gedämpfter Beleuchtung“, wir möchten sehen können, was wir essen und trinken, gar nicht zu reden von der Annehmlichkeit, sein Gegenüber ansehen zu können. Auf der Couch lag Mouche und räkelte sich kokett, als sei sie sich all ihrer Anmut bewußt, und alle meine blühenden Topfpflanzen brachten Farbe und Abwechslung in den großen und sonst reichlich leeren Raum. Den langen Tisch, den ich für zeichnende und modellierende Kinder brauchte, hatten wir in den Bodenraum gestellt, und die Reihe der grüngestrichenen Holzsessel störte nicht. Platz hatten wir ja genug!
Steneng ließ auch eine Bemerkung darüber fallen, wie gemütlich wir es hätten. Er schien sich wohl zu fühlen, wirkte aber trotzdem merkwürdig zerstreut. Ich war höflich und eine aufmerksame Gastgeberin, aber zuletzt konnte ich doch nicht an mich halten.
„Entschuldigen Sie, Herr Doktor – aber Sie haben schon einmal Zucker in Ihren Kaffee getan. Ich möchte Sie ungern in Ihren sicher hochwissenschaftlichen Gedankengängen unterbrechen aber…“
„Verzeihung. Ich bin wohl unverzeihlich zerstreut. Ich vergaß wohl auch ganz, mich zu entschuldigen, daß ich zu spät kam. Aber ich hatte nämlich gerade einen Fall, wissen Sie, der mich sehr stark beeindruckt
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