Wir sehen uns in der Hölle: Noch mehr wahre Geschichten von einem deutschen Hells Angel (German Edition)
Expansion, die schon seit vielen Jahren rücksichtslos vorangetrieben wird. Und wie bereits gesagt, strecken die deutschen Charter schon ihre Tentakel nach Österreich aus. Man muss sich das mal geben: In Deutschland gibt es derzeit fast 50 Charter, in den USA sind es etwas weniger als 80. Bei dem Vergleich darf man aber nicht vergessen: Die USA sind flächenmäßig knapp 27 Mal größer als Deutschland!
Die deutschen Charter rekrutieren seit Jahren wahllos neue Mitglieder, und die neuen Charter sprießen wie Unkraut. Okay, heutzutage muss man ja sagen: Das war einmal. Denn in jüngster Zeit dezimieren sich die Charter in Deutschland fast wie von selbst, indem sie sich vorsorglich auflösen, oder sie werden von dem einen oder anderen Innenminister mit »Cochones« verboten. Dazu kommen wir gleich noch genauer.
Nicht nur, dass die Charter in Deutschland in der Vergangenheit immer zahlreicher wurden, vor allem die Hannoveraner ließen auch immer mehr Member in ihrem eigenen Charter zu. Das ging so weit, dass das Hells-Angels-Charter Hannover Ende 2007 fast so viele Member hatte wie das damals größte Charter in New York. Allerdings ist das New Yorker Charter über 35 Jahre gewachsen, das Hannover Charter wurde dagegen erst 1999 gegründet. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Über drei Jahre, zwischen 2008 und 2011, konnte Hannover das Charter New York an Mannstärke überrunden. Mittlerweile ist New York wieder die Nummer eins.
Trotzdem: Das Hannoveraner Charter der Hells Angels hat in Deutschland die absolute Führungsposition erlangt. Aktionen der Hells Angels in Deutschland waren ohne dessen Zustimmung und Wissen kaum möglich. In Hannover selbst war man seitens der Hells Angels sehr zurückhaltend mit öffentlichen Gewaltauftritten. Ein Verbot, das ja auch ihre Führungsposition gefährdet hätte, sollte vermieden werden.
Hilfreich dabei waren die exzellenten Verbindungen in die Kreise von Justiz und Politik. Die Polizisten an vorderster Front hätten sicher sehr gerne dem ganzen Spuk ein Ende bereitet, wurden aber bei ihren Bemühungen oft genug von hochrangigen Entscheidungsträgern ausgebremst. Wenn es ihnen gelungen wäre, das Charter Hannover viel früher zu verbieten und damit der Hydra des organisierten Verbrechens innerhalb der Hells Angels den Kopf abzuhacken, wäre schon längst ein elementarer Schritt in Richtung der Zerschlagung der Rockerkriminalität gelungen. Doch die Hells Angels Hannover achteten peinlich genau darauf, in Niedersachsen möglichst wenig aufzufallen.
Das muss ein derber Schlag für den Präsidenten der Hells Angel Hannover gewesen sein, als er sein Charter aufgelöst hat. Er, der von nicht wenigen als Deutschland-Präsident gehandelt wurde. Eine totale Schnapsidee – gegen die ich zu meiner Zeit über viele Jahre mein Veto eingelegt habe, als sie auf vielen Officers-Meetings zur Sprache kam. Mal ganz davon abgesehen, dass die World-Rules an sich schon ein solches Amt verbieten. Aber für die Hells Angels Deutschland gilt eben nicht jede Regel, sie basteln sich lieber ihre eigene Welt. So baute der Präsident des Charters Hannover auf Umwegen seine Vormachtstellung und seinen absoluten Machtanspruch innerhalb des Clubs aus. Und das hätte die Justiz meiner Meinung nach viel früher alarmieren müssen. Im Nachhinein betrachtet wäre es vielleicht gar nicht so schlecht gewesen, wenn sich die bekloppte Deutschland-Präsidenten-Idee durchgesetzt hätte. Womöglich hätte es die deutsche Justiz dadurch endlich geschafft, einen Hebel für ein bundesweites Verbot anzusetzen. Denn die Jungs von der Staatsanwaltschaft und auch die Innenminister tun sich schwer damit, den Hells Angels bundesweite Strukturen nachzuweisen. Dazu müssten sie nämlich zentral organisiert sein, aber das sind sie offiziell nicht, da jedes Charter ein lokaler Zusammenschluss von Bikern ist. Damit sind den Behörden oft die Hände gebunden, weil sie keine andere Möglichkeit haben, als jedes Charter einzeln zu verbieten, was mühsam, langwierig und nicht gerade leicht ist. Und was sollte die Rocker denn daran hindern, sich neu zu gruppieren oder einfach zu anderen Chartern zu gehen? Oder sie schlagen ihre Zelte in einem anderen Bundesland auf.
Damit Aktionen, zum Beispiel Ermittlungen im Rotlichtmilieu von Hannover, besser greifen können, muss es eine Ermittlertruppe geben, die von der Hannoveraner Politik und Justiz völlig unabhängig ist. Die gibt es aber nicht. Wie kann es denn sein, dass
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