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Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
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trotz Gewitter. Irgendwo unter diesem Himmel geht jetzt seine Schwester Marie bald ins Bett und irgendwo ist das Grab seiner Mutter.
    John könnte jetzt abhauen. Er weiß ja, wie das geht. Aber er mag Isabella. Er hat Angst um sie. Die gleiche Angst wie damals um seine Mutter.
    Doch ist er Isabella etwas schuldig? Hätte er ihr nicht … hätte, hätte, Fahrradkette. Er hat ihr die Tasche geklaut und wahrscheinlich ist das jetzt die gerechte Strafe dafür. Endlose Stunden Krankenhausluft.
    Er wird es überleben. Aber damit ist es auch genug. Er wird warten, bis er weiß, dass sie die Operation gut überstanden hat. Danach wird er gehen.
    Ein wenig beneidet er Isabella um ihre Familie. Obwohl: So ganz heil ist die ja auch nicht. Aber immerhin hat sie ein Zuhause – und eine beste Freundin.
    Hannah ist bestimmt sauer auf ihn. Ein Grund mehr, sich davonzumachen, bevor die beiden um die Ecke biegen. Und doch tut er es nicht.
    John setzt sich auf eine Bank. Er schleppt immer noch die Tüte mit seinen alten Klamotten und dem Comicheft mit sich herum. Ihm kommt die Idee, Isabella einen Brief zu schreiben. Wenn erst einmal ihre Mutter und ihre Freundin da sind, ist er weg, und wahrscheinlich will sie dann auch gar nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er wühlt in seiner Hosentasche und findet tatsächlich einen Stift. Er reißt die letzte Seite aus dem Comicheft und beginnt zu schreiben. Die Worte fließen nur so aufs Papier:
    Liebe Isabella, wenn du das hier liest, sind deine Mutter und deine beste Freundin Hannah bei dir und ich bin weg. Aus deinem Leben verschwunden. Und darüber bist du wahrscheinlich mehr als froh. Es tut mir leid, dass du meinetwegen so viel Trouble hattest. Und jetzt auch noch diese Krankenhausgeschichte. Irgendwie ist das ja auch alles meine Schuld.
    Ich habe mich gefreut, dass du mich zu meiner Schwester begleitet hast. Bisher habe ich immer gedacht, ich komme gut allein klar. Ich brauche keinen Freund – oder eine Freundin. Aber ich gebe zu, die Reise mit dir hat mir gutgetan. Ein wenig beneide ich dich um deine Freundschaft zu Hannah. Grüß sie unbekannterweise von mir. Ich glaube, dass sie sauer auf mich ist, hat auch allen Grund dazu. Such mich nicht in Berlin. Auch, wenn ich noch nicht weiß, was ich tun werde. Aber ich kehre nicht nach Berlin zurück, denn ich glaube nicht, dass ich meinen Vater dort finden werde. Und selbst wenn – er wird nicht zurückkommen. Wir werden nie wieder eine Familie sein, außer ein Wunder geschieht. Aber daran glaube ich nicht.
    Thank you for travelling with me und der Deutschen Bahn. Garantiert die schönste Zugfahrt meines Lebens. Danke, dass du mir vertraut hast.
    Ich hoffe, es geht dir bald wieder gut. John.
    PS: Wie heißt es so schön: Man sieht sich im Leben immer zweimal. Vielleicht sehen wir uns ja sogar mal in Paris? Alles ist möglich.
    Dann malt er noch einen Eiffelturm unter den Brief, faltet das Blatt zusammen und steckt es in seine Tasche. Langsam macht er sich auf den Weg zurück ins Krankenhaus.
    Er zieht tief die Luft ein, hält kurz den Atem an und wartet, bis sein Herz wieder ruhiger ist. Ein paar Stunden noch, dann ist es geschafft.
    Er geht zur Station, auf der Isabella aufgenommen wurde, und klopft an die Zimmertür. Bestimmt ist sie inzwischen in ihrem Bett. Kein Laut kommt aus dem Zimmer. John öffnet leise die Tür.
    Das Zimmer ist leer, Isabellas Bett ist fort.
    Wie ein Schlag trifft es John. Als fiele er ins Bodenlose. Er muss sich festhalten, ihm wird schwindelig. Seine Panik löscht die Wirklichkeit aus. Es ist ein Déjà-vu. So war es bei seiner Mutter. Er kommt in das Zimmer und es ist leer und das Bett ist einfach weg. Und er sieht sie nie wieder, weil sie tot ist. Aber das kann doch nicht bedeuten, dass … Nein! – Nein, sie ist doch im OP. Sie wird operiert. Sie wird es schaffen …
    John stürmt über den Flur zum Schwesternzimmer.

Isabella wird wach, starrt auf grün verhüllte Menschen, dann nickt sie wieder ein. Sie versucht zu fragen: »Wo bin ich?« Aber sie bekommt keinen Ton heraus. Sie spürt etwas in ihrem Hals, das drückt.
    Ein Gesicht unter einer grünen Haube beugt sich zu Isabella herunter und sagt: »Wir geben dir gleich eine Narkose. Du wirst einen kleinen Piks auf deinem Handrücken spüren. Wir müssen deine Wunde am Bein säubern.« Das Gesicht lächelt Isabella aufmunternd zu.
    Isabella lächelt zurück, dann wird alles um sie herum schwarz, sie sieht nichts mehr.
    Aber sie träumt. Im Traum fliegt sie

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