Wir sind verbannt (German Edition)
schon werden sie alle Leute gesund machen können. Mach dir also keine Sorgen, ja?«
Ich zog sie auf meinen Schoß, und sie lehnte sich entspannt an mich, während wir zusammen aus dem Fenster blickten. Ihr Haus steht direkt an der Küste. Eine Gruppe Schweinswale tummelte sich im Wasser. In der Ferne funkelten die Lichter vom Festland, als wäre die Welt vollkommen in Ordnung.
So saßen wir da, bis Drew den Kopf zur Tür hereinstreckte, um uns zu sagen, dass wir runterkommen und einen Film anschauen sollten.
»Mom hat Onkel Emmett dazu gebracht, dass er verspricht abzuwarten, bis die Gesundheitsbehörde so weit ist«, sagte er hinter vorgehaltener Hand, als wir mit Meredith auf dem Weg nach unten waren.
Das ist sicher gut so, aber ich kann auch absolut verstehen, wie Onkel Emmett sich fühlt. Und ein bisschen wünsche ich mir, er würde sein Versprechen nicht halten und Meredith von hier fortbringen, nur für alle Fälle.
17. September
Heute Morgen habe ich Dad gefragt, wie viele Leute inzwischen im Krankenhaus sind, bevor er zur Tür hinausstürmte. »Mehr als uns lieb ist«, war alles, was er antwortete.
Sie haben das Virus immer noch nicht isoliert. Ein weiterer Patient ist gestorben. Ich habe keine Ahnung, wie es Rachel geht. Als ich gestern vorschlug, sie vielleicht mal zu besuchen, bekam Dad diesen Gesichtsausdruck, als hätte ihn gerade ein eiskalter Windstoß erwischt, und er sagte mir, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nichts davon hätte.
Bitte lass ihn das Heilmittel finden, das ich Meredith versprochen habe. Für Rachel und für all die anderen.
Gestern hat er Oma und Opa in Ottawa angerufen, um ihnen zu sagen, dass sie vorsichtig sein sollen, nur zur Sicherheit. Und mir und Drew hat er verboten, zur Schule zu gehen – war ja klar – und überhaupt das Haus zu verlassen. Doch nachdem ich fast das komplette Wochenende und gestern den ganzen Tag daheim eingesperrt war, hätte ich heute Nachmittag fast die Wände hochgehen können. Ich musste dauernd daran denken, was Drew gesagt hatte, darüber, sich vor den Problemen zu verstecken, anstatt sich ihnen zu stellen. Mein neues Ich hätte keine Angst, rauszugehen und nachzusehen, was da los ist.
Ich sagte mir, solange ich niemandem zu nahekam, wäre ich genauso sicher, wie wenn ich zu Hause blieb. Doch mein Magen fing trotzdem an zu rotieren, als ich auf dem Weg zur Schule war. Ich blieb unter der Eiche vor einem der Physikräume stehen. Mr Grant schrieb gerade etwas in seiner krakeligen Schrift an die Tafel. Alle schlugen eine bestimmte Seite in ihren Büchern auf. Es sah wie ein völlig normaler Tag aus.
Dann bemerkte ich einen Jungen in der ersten Reihe, der sich an der Schulter kratzte. Er war bestimmt zehn Sekunden an der Stelle zugange, machte eine Pause und fing dann wieder an.
Ein paar Reihen hinter ihm begann ein Mädchen so laut zu husten, dass ich es durch das Fenster hören konnte. Jemand anderes nieste, während ein weiterer Junge lachte.
Ich drehte mich um und ging davon, auf ganz wackeligen Beinen. Noch nicht mal mein neues Ich konnte das länger mit ansehen.
Als ich am Parkplatz vorbeikam, rief jemand meinen Namen. Ich war so erschrocken, dass ich fast losgerannt wäre – als ob irgendein Kranker hinter mir her wäre. Doch dann nahm ich mich zusammen und drehte mich um.
In der Nähe des Fußwegs stieg gerade eine Frau aus einem Auto. Einen Augenblick später erkannte ich sie. Eine von Dads Bekannten aus dem Krankenhaus, Dr. Soundso, aber ich hatte sie immer nur Nell genannt.
»Kaelyn«, sagte sie noch einmal. Sie hievte einen Pappkarton aus dem Kofferraum und schleppte ihn zum Rand des Parkplatzes. »Ich dachte, dein Dad hat dafür gesorgt, dass du zu Hause bleibst.«
»Ich war nicht in der Schule«, entgegnete ich rasch. »Ich musste nur mal ein bisschen an die frische Luft. Einen Spaziergang machen.«
Dad kriegt einen Anfall, wenn sie ihm erzählt, dass sie mich getroffen hat.
»Solange du schön vorsichtig bist«, antwortete Nell und schob den Karton ein wenig zur Seite.
»Soll ich Ihnen tragen helfen?«, fragte ich.
»Nein, Gordon würde mich wahrscheinlich umbringen, wenn ich dich da mit reinnehme«, erwiderte sie lächelnd. »Es geht schon, ist nur Papier. Wir haben Informationsbroschüren gedruckt, wie man sich während einer drohenden Epidemie schützen kann. Ich hab den Job, das Ganze mit den Kindern hier durchzugehen.« Sie nickte Richtung Schule.
Wahrscheinlich sind es dieselben Ratschläge,
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