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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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inne und denkt darüber nach, wie viele dabei draufgehen.
    Und trotzdem hätte ich ab und zu gern jemanden, den ich packen und schütteln und mit den Worten »Wie konntest du nur?« anschreien könnte.
    Eine Frage, die die Natur einem niemals beantworten wird.
    Heute Nachmittag war ich im Krankenhaus, während Tessa bei Meredith blieb. Wegen der Gang, die weiter ringsum Feuer legte, hielten wir es für besser, Meredith nicht allein im Haus zu lassen, um noch mehr Medikamente zu beschaffen. Ich hatte vor einiger Zeit in der Krankenhausbibliothek eine Ausgabe von Ein Sommer mit Wölfen gefunden und las denjenigen unter den Patienten, die zwar krank, aber noch nicht zu krank waren und die sich langweilten und depressiv wurden, wenn sie nur herumsaßen und darauf warteten, dass das Virus noch tiefer in ihr Gehirn kroch, ein paar Kapitel daraus vor.
    Ich war gerade an meiner Lieblingsstelle angelangt, wo Farley Mowat nur mit seinen Schuhen an den Füßen hinter einem Rudel Wölfe herjagt, als ich jemanden schreien hörte. Eigentlich zurzeit im Krankenhaus etwas ganz Normales, wäre die Stimme nicht aus der Empfangshalle gekommen, sondern von oben, wo sie die schlimmsten Fälle untergebracht hatten. Abgesehen davon klang sie vertraut.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte ich und lief hinaus, um zu sehen, was los war.
    Kaum hatte ich die Tür geöffnet, wurden die Worte deutlicher: »Wie lange dauert das denn mit dem Test? Wann werden wir Bescheid wissen?«
    Am Ende des Flurs stand Gav, die eine Hand an die Wand gestützt, in der anderen seine Schutzmaske. Sein Gesicht war rot angelaufen, und seine Schultern bebten.
    Mein Herz sank nicht nur, es stürzte förmlich in die Tiefe.
    »Du musst dich beruhigen«, bat Nell ihn. »Wir tun, was wir können. Bitte zieh deine Maske wieder auf.«
    Was spielt das noch für eine Rolle?, dachte ich. Was sollte die Maske noch bringen, wenn er sowieso schon krank war.
    Er holte tief Luft und antwortete, diesmal nicht mehr im Schreiton: »Werdet ihr wirklich alles für ihn tun? Könnt ihr denn überhaupt irgendetwas tun?«
    Da begriff ich, dass er vor Aufregung so rot im Gesicht war, nicht weil er Fieber hatte. Und das bedeutete, dass es nur einen gab, um den es hier gehen konnte.
    »Wir tun, was wir können«, wiederholte Nell.
    »Ganz toll!«, erwiderte Gav. »Ich hab ihn also hergebracht, damit ihr nichts weiter macht, als ihn in ein Zimmer zu schließen und abzuwarten, bis er stirbt. Scheiß drauf.«
    Er schwankte und sah aus, als wollte er noch etwas sagen, war jedoch offensichtlich zu wütend, um die richtigen Worte zu finden. Als sie ihm nicht einfallen wollten, machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte hinaus.
    Einen Moment lang war ich wie gelähmt. Dann torkelten meine Beine vorwärts, und ich lief ihm nach, während ich mich gleichzeitig aus meinem Schutzkittel schälte.
    Er war schon durch die Eingangstür. Ich holte ihn erst auf der Außentreppe ein. Als er noch nicht einmal stehen blieb, um sich nach dem Klang meiner Schritte umzusehen, rief ich: »Gav, warte!«
    Es war, als hätte ich ihm einen Schlag verpasst. Er stoppte und sank auf die Stufen, zwischen die Pfützen, die der Regen am Morgen hinterlassen hatte, und legte den Kopf in die Hände. Der Mantel, den er trug, war ihm viel zu groß – er hatte seinem Dad gehört, hatte er irgendwann mal erwähnt – und er sah auf einmal ganz klein darin aus.
    Ich setzte mich neben ihn und legte den Arm um seine Schultern. Es erschien mir unangebracht, zuerst etwas zu sagen.
    »Ich hab mir solche Mühe gegeben, dafür zu sorgen, dass er gesund bleibt«, sagte er nach einer Weile. Seine Stimme bebte. Ich glaube, er versuchte, die Tränen zu unterdrücken.
    »Warren?«, fragte ich, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wegen wem er sonst so außer sich sein sollte.
    »Ich habe ihn überzeugt, dass er am meisten helfen würde, wenn er bei der Arbeit mit den Kindern in der Kirche mitmacht, weil ich wusste, dass sie alle getestet sind und es deshalb sicher war«, fuhr er fort, ohne meine Frage zu beantworten. »Ich hab dafür gesorgt, dass er seine verdammte Schutzmaske in jeder einzelnen Minute jedes gottverdammten Tages aufhatte.«
    »Hat er denn schon den Bluttest gemacht?«, fragte ich.
    »Sie sind gerade dabei«, antwortete Gav. »Aber … ich weiß es. Es hat ihn voll erwischt. Den ganzen Tag über ging es ihm gut, und plötzlich konnte er nicht mehr aufhören zu husten. Und sich am Hals zu kratzen. Ich musste ihn

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