Wir sind verbannt (German Edition)
schon mal da war, könnte ich auch ein bisschen helfen. Also verbrachte ich die nächsten Stunden damit, zusammen mit Mrs Hansen Bettwäsche und Krankenhauskittel durch die Waschmaschine zu jagen und anschließend einen Topf Grießbrei nach dem anderen für die Patienten zum Frühstück zu kochen. Wir waren gerade dabei, die letzten Schüsseln damit zu füllen, als Gav in die Küche kam und dabei Rauchgeruch hinter sich herzog.
»Es ist gelöscht«, verkündete er. »Endlich«.
»Ich wusste gar nicht, dass du geholfen hast«, sagte ich. Und obwohl er sich nun offensichtlich in Sicherheit befand, durchfuhr mich ein kleiner Anfall von Panik. Ich hätte ihn gerne umarmt, um sicherzugehen, dass er auch wirklich unversehrt war, doch Mrs Hansen stand direkt daneben und beobachtete uns.
Sie lächelte mir wissend zu und schob den Rollwagen aus der Küche. Kaum war sie draußen, schlang ich die Arme um ihn. Und er ließ sich hineinsinken.
»Ich hab die Sirene gehört und bin raus, um nachzusehen, ob ich irgendwie helfen kann«, sagte er. »Ein paar von uns haben versucht, das Feuer zu löschen. Nur einer hatte so was schon mal gemacht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob wir wirklich was tun konnten oder ob dem Feuer einfach der Brennstoff ausgegangen ist.«
Er wandte sich ab, um zu husten und das rauchige Kratzen in seiner Stimme loszuwerden. Dann drückte er mir die Lippen auf die Stirn.
»Wenigstens wurde niemand verletzt«, fügte er hinzu.
»Es sah riesig aus«, erwiderte ich.
»Sechs Häuser«, antwortete er. »Alle nebeneinander. Wir konnten mit dem Schlauch kaum was ausrichten, und als wir einen Eimer fanden, der nach Benzin roch, wussten wir auch, warum.«
»Wo sollte denn jemand einen Eimer …«, fing ich an und stockte mitten im Satz, als mir die Antwort plötzlich klar wurde. Meine Hände, die auf Gavs Brust lagen, verkrampften sich. Er nickte.
»Gleich nachdem wir ihn gefunden hatten, bin ich zur Tankstelle, um nachzusehen«, sagte er. »Die Tür war eingeschlagen. Sie haben sich einfach selbst bedient.«
Es war unnötig zu sagen, wer »sie« waren.
»Aber was bringt es ihnen, wenn sie die Häuser anzünden?«, fragte ich.
»Keine Ahnung«, erwiderte Gav. »Das verstehe ich auch nicht.«
Vielleicht fanden die von der Gang es einfach lustig, mal ein paar Häuser abzufackeln. Immerhin sind das Leute, die andere erschießen, bloß weil sie krank sind. Mir kommt es allerdings so vor, als wären sie selbst auch krank – krank vor Angst, krank vor Selbstsucht. Denn wie sollte jemand all diese furchtbaren Dinge tun, ohne sich selbst dafür zu hassen?
26. November
In den letzten paar Tagen hat es in vier verschiedenen Stadtteilen Brände gegeben. Sie sind alle mit Benzin gelegt worden. Man kann nicht viel dagegen tun, außer dafür zu sorgen, dass niemand in den Häusern ist, und die Flammen daran zu hindern sich auszubreiten.
Eine Zeitlang hatte ich die Hoffnung, der ganze Rauch würde irgendwen auf dem Festland alarmieren, ihnen zeigen, dass wir mehr Hilfe brauchen. Ohne Internet, ohne Telefonverbindung und nach den erfolglosen Funkversuchen, konnten wir es ja zur Abwechslung auch mal mit Rauchzeichen probieren. Aber sie haben uns noch nicht einmal einen weiteren Hubschrauber geschickt.
Gestern Morgen hat Gav sich mit einem der erwachsenen Helfer verabredet, um zu dem Ferienhaus zu gehen, das die Gang zu ihrer Operationsbasis erklärt hat, und in Erfahrung zu bringen, ob sie vielleicht bereit sind zu reden.
»Warum musst du denn dahin?«, fragte ich ihn, während der andere Freiwillige gerade sein Gespräch mit Dad beendete. »Dein Heldensyndrom scheint mir langsam echt außer Kontrolle zu geraten.«
Ich versuchte so zu klingen, als würde ich scherzen, aber in Wirklichkeit hatte ich Angst. Dieser Typ mit dem Lieferwagen hätte mich, ohne mit der Wimper zu zucken, erschossen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass die mit sich reden lassen würden.
»Ich hatte schon öfter mit denen zu tun als sonst jemand hier«, erklärte Gav.
»Aber wir haben doch die Zapfsäulen inzwischen dichtgemacht«, erwiderte ich. »Sie können nicht allzu viel Benzin auf einmal gestohlen haben. Wenn sie keins mehr übrig haben, müssen sie sowieso aufhören.«
»Damit sie sich dann was anderes einfallen lassen können«, antwortete er.
Das stimmt natürlich. Also stand ich da und sah zu, wie er zum Wagen ging, meine Arme fest vor der Brust verschränkt und so etwas wie einen Stein im Bauch. Es gefällt mir
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