Wir sind verbannt (German Edition)
Stadium erreichten. Welche Menge von welchem Medikament zu welcher Tageszeit verabreicht wurde. Ich suchte nach irgendeinem Muster. Die Antwort konnte in etwas so Kleinem liegen, das keiner sie je finden würde, wenn er nicht jedes Detail unglaublich genau überprüfte.
Es gibt so unheimlich viele Daten zu beachten. So viele verschiedene Faktoren. Innerhalb von drei Stunden füllte ich sechs Blätter Papier, und am Ende schien keine einzige der Angaben in irgendeiner Weise aussagekräftig. Schließlich kam Nell herein.
»Was machst du denn noch hier, Kaelyn?«, fragte sie. »Es ist schon fast Mitternacht.«
Ich starrte sie an, irgendwie benommen. Mein Hirn war überschwemmt mit Krankenberichten, die es kaum verstand.
Als ich nicht antwortete, wurde ihr Blick auf einmal ganz sanft, ihre Stimme jedoch deutlich entschiedener.
»Okay«, sagte sie dann. »Als deine Ärztin verordne ich dir jetzt, dass du auf der Stelle deinen Hintern nach Hause bewegst und dich ausruhst. Mach schon.«
Als würde ich mich irgendwie besser fühlen, wenn ich hier mit Meredith in einem Zimmer sitze und genau weiß, dass ich absolut nichts tun könnte, wenn sie in diesem Augenblick aufwachen und niesen würde.
Heute gehe ich wieder hin. Und morgen und übermorgen, so lange, bis ich jede noch so winzige Kleinigkeit erfasst habe. Es muss eine Verbindung geben. Ich höre erst wieder auf, wenn ich sie gefunden habe.
30. November
Seit Moms Geburtstag hat es jeden Tag geregnet. Dieser kalte, peitschende Regen, den wir hier immer am Ende des Herbstes haben. Nicht besonders angenehm, aber wir fahren sowieso überall mit dem Auto hin, so dass ich mir bisher wegen des Wetters echt keine Gedanken machen musste.
Das Gute daran ist, dass Regen und Feuer sich nicht sonderlich gut vertragen und Quentins Freunde das offensichtlich auch wissen. Anscheinend haben sie bis jetzt noch nicht wieder versucht, weitere Häuser anzuzünden. Vielleicht heben sie das gestohlene Benzin auch einfach so lange auf, bis sie den größtmöglichen Schaden damit anrichten können. Oder sie kriegen womöglich doch noch eine Erleuchtung und kapieren, dass es unsere Probleme nicht löst, wenn sie hier und da mal ein Haus abfackeln. Es sei denn, sie tun uns den Gefallen und fackeln sich selbst gleich mit ab.
Weil wir, solange es regnete, eher nicht mit Feuern rechnen mussten, hielt ich es für sicher genug, Meredith heute Nachmittag mal eine Zeitlang alleine zu lassen – so sicher es momentan eben sein kann. Und Tessa und ich begaben uns wieder auf eine kleine Medikamenten-Beschaffungstour.
Wir durchsuchten eine Reihe Häuser nicht weit von der Main Street, von denen die Hälfte jedoch aussah, als hätte die Gang ihnen bereits einen Besuch abgestattet. Sie hatten sich allerdings größtenteils auf Lebensmittel und Elektronik konzentriert, so dass wir wenigstens manchmal noch Tabletten und Salben in den Arzneischränken fanden.
Als wir in das dritte Haus mit leerem Fernsehtisch kamen, schüttelte Tessa den Kopf.
»Ich verstehe nicht, wie die ernsthaft glauben können, ein Haufen Fernseher und DVD-Player würde sie am Leben halten«, sagte sie.
»Vielleicht haben sie vor, die Sachen rüber aufs Festland zu schaffen und sie dort zu verkaufen«, antwortete ich. »Falls sie das irgendwie hinkriegen, ohne auf dem Weg dahin erschossen zu werden.«
Dann fiel mir das Gartencenter wieder ein, das ich vor ein paar Tagen gesehen hatte, und wir schauten dort noch kurz vorbei. Tessa betrachtete die Regale eine Weile, nahm ein paar Tütchen und Schachteln heraus, und legte sie dann stirnrunzelnd wieder zurück.
»Ich bin fast jede Woche hierhergekommen«, sagte sie. »Die Frau, der das Geschäft gehört, hat immer Sonderbestellungen für mich gemacht. Sie liebt diesen Laden.«
»Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Typen von der Gang zurückkommen und sich alles abgreifen, was du jetzt nicht nimmst«, machte ich ihr klar. »Oder einfach den ganzen Laden anzünden.«
Und genauso wahrscheinlich ist es, dass die Besitzerin längst tot ist.
»Du hast recht«, antwortete Tessa. »Und ich kann das, was ich nicht verbraucht habe, ja immer noch zurückbringen und den Rest bezahlen, sobald sie wieder aufmacht.«
Dann nahm sie alle Sämereien und Zwiebeln und so viele Beutel Dünger, wie sie auf einmal ins Auto bekam, und dazu noch einen Haufen Töpfe und Anzuchtschalen. Nachdem sie den Kofferraum zugemacht hatte, blieb sie unter der Markise stehen.
»Alles okay mit dir?«,
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