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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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gar nicht, dass es mir so schwerfiel, ihn gehen zu lassen.
    Schließlich bin ich gerade erst darüber hinweg, dass ich mich zwei Jahre lang nach dir gesehnt habe, Leo – so sehr an einem anderen Jungen zu hängen, dass ich nicht mehr klar denken kann, ist das Letzte, was ich jetzt brauchen kann. Und Gav wird auch kein jämmerliches Mädchen haben wollen, das am Fenster steht und auf ihn wartet, anstatt sein eigenes Ding zu machen.
    Also kochte ich noch mehr Wasser ab, verteilte Mittagessen und versuchte, dabei nicht alle zwei Minuten auf die Uhr zu sehen. Genau eine Stunde und vierzehn Minuten später war Gav wieder zurück. Als ich ihn durch die Eingangstür kommen hörte, blieb ich kurz stehen und ließ mich von der Welle der Erleichterung überrollen. Dann zwang ich mich, noch schnell den Essenswagen zurück in die Küche zu bringen, bevor ich mich auf den Weg machte, um zu hören, was bei der Sache herausgekommen war.
    »Sie haben uns schon ein paar Häuser vor ihrem Stützpunkt abgefangen«, erzählte Gav, während der andere Mann Dad und Nell berichtete. »Ein paar von ihnen stellten sich unserem Auto in den Weg – Lester vom Fähranleger und Andrea, die ältere Schwester von Vince. Sie richteten eine Schrotflinte auf uns. Keiner von ihnen hörte überhaupt zu, was wir zu sagen hatten. Sie faselten nur dauernd was davon, dass sie die Feuer ›zum Nutzen der Insel‹ legen würden. ›Wir säubern sie‹, meinte Lester. ›Einäschern überlebt das Virus garantiert nicht!‹ Die Menschen aber auch nicht, sagte ich, doch er lachte nur. Und dann zielte Andrea mit der Flinte auf uns und sagte, wir hätten genau zehn Sekunden, um zu verschwinden.«
    Jetzt brennen sie also ihre Heimatstadt nieder und hoffen, so auch das Virus zu zerstören.
    Ich muss dauernd daran denken, wie Quentin in dem Spielzeugladen mit mir gesprochen hat. So voller Wut und Verzweiflung. Ich hatte ihm gesagt, die Regierung würde uns niemanden zu Hilfe schicken, solange die Insel nicht sicher und das Virus verschwunden war, und dass wir immer noch nicht wüssten, wie wir es in den Griff kriegen können. Nun versuchen sie es also auf ihre Weise.
    Und weißt du was? Solange sie ihre Kugeln und die Feuer von den Menschen fernhalten, die mir etwas bedeuten, soll’s mir recht sein.

27. November
    Heute haben wir beschlossen, mal eine kleine Pause von den Sorgen über Viren und Banden und den Untergang der Insel zu machen. Heute ist Moms Geburtstag, oder er wäre es gewesen, und Dad meinte, wir sollten das ausgefallene Thanksgiving-Essen nachholen und ihr Andenken würdigen.
    Tessa und ich haben die letzten Hähnchenbrüste aus dem Gefrierfach gebraten, und wir hatten einen richtigen Salat mit Tomaten aus dem Gewächshaus. Dad an Tessas Tisch sitzen zu sehen war irgendwie komisch. Es war das erste Mal, dass er mit uns bei ihr aß. Doch als wir erst einmal mit der Mahlzeit angefangen hatten und uns unterhielten, wurden alle ganz locker.
    Dad erzählte davon, wie er Mom an der Uni kennengelernt hatte und von dem Tag, an dem er sich ein Herz fasste, sie um eine Verabredung zu bitten, und ich erzählte, wie sie mir das Radfahren beigebracht hatte und mir dabei ständig Mut machte, obwohl sie am Ende abends geschaffter war als ich. Danach schwiegen wir, was dem Anlass ja auch angemessen war. Ich fragte mich, wo Drew wohl gerade sein mochte und ob er auch an Mom dachte. Ohne ihn kam mir alles, was wir sagten, irgendwie unvollständig vor. Der Schmerz in meiner Brust wurde immer größer und ist seitdem nicht mehr weggegangen.
    Nachdem wir abgeräumt hatten, verschwand Dad mit Meredith, damit sie ihm die ganzen Halsketten und Armbänder zeigen konnte, die sie aus ihren neuen Perlen gemacht hatte, während Tessa und ich es uns auf dem Sofa gemütlich machten. Sie blickte auf das Sims über dem Kamin, wo ein paar Fotos von ihr und ihren Eltern stehen – auf einem Holzklotz im Wald sitzend und vor einer Landschaft in die Sonne blinzelnd. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, sie zu umarmen, obwohl Tessa so ungefähr die unnahbarste Person ist, die ich kenne. Ich vermisse Mom und Drew jede Sekunde, aber ich habe wenigstens noch Dad. Tessa ist schon so lange alleine.
    »Wie machst du das?«, fragte ich.
    »Was denn?«
    »Du bist die ganze Zeit so ruhig und gefasst, obwohl du niemanden hast«, sagte ich. »Das könnte ich gar nicht aushalten.«
    »Ich habe doch jemanden«, antwortete sie. »Ich habe dich und Meredith.«
    »Aber du hast mich kaum gekannt,

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