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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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hätte; er strahlte dabei über beide Backen, wodurch die Klappe auf seinem Auge etwas von einer Tapferkeitsmedaille hatte.
    Ein paar Monate später zog er mit seinen Eltern aus unserem Viertel weg.
    Und ich zog mich vollkommen zurück. Nie würde ich Piratenkapitän werden. Weder das noch sonst etwas. Fortan glänzte ich nicht mehr in der Schule, legte mich mit niemandem mehr an, wurde immer verschlossener.
    Heimlich trainierte ich jedoch mit der Schleuder, später mit einem Luftgewehr, schließlich mit richtigen Waffen. Bis ich ein hundertprozentig treffsicherer Schütze war. Doch ich bildete mir nichts darauf ein, denn wenn’s wirklich drauf ankam, würde ich garantiert wieder danebenschießen. Fern meinem Heimatort nahm ich deshalb unter falschem Namen an Preisschießen teil, nur um mich immer wieder daran zu erinnern.
    Vor meiner Mutter hielt ich meine Erfolge allerdings geheim, ich warf die Trophäen stets in den nächsten Müllcontainer, bevor ich nach Hause fuhr. Zwar sah sie mich manchmal durchdringend an, als würde sie mich gleich fragen wollen, wo ich mich herumtrieb und wieso ich neuerdings so in mich gekehrt sei, doch letztlich sagte sie nie etwas.
    Für Nachbarn, Lehrer und Schulkameraden war ich sowieso nur Juanito, der Sohn der Familie Pérez, ein ganz gewöhnlicher, etwas schüchterner und wortkarger Jugendlicher.
    Und das blieb ich fünf Jahre – bis zu jener feuchtfröhlichen Nacht, als Leticia zu mir sagte, ich wirke auf sie wie ein Piratenkapitän.
    Mein Handy klingelt. Ich hasse das Ding. Auf dem Rücksitz bewegen sich die Kinder unruhig im Schlaf. Ohne die Straße aus den Augen zu lassen, gehe ich schnell dran. Nicht dass sie noch aufwachen.
    »Tut mir leid, Nummer Drei«, sagt Nummer Zwei, dem es sicher überhaupt nicht leidtut, ist er doch so kalt wie eine Hundeschnauze. »Du musst zumindest einen Teil des Auftrags übernehmen. Ich weiß, du bist mit deinen Kindern unterwegs, aber es geht bedauerlicherweise nicht anders. Ich verspreche dir jedoch, dass wir dir nicht …«
    Hilflos stammele ich irgendwas, denn mir ist vor Schreck die Spucke weggeblieben. Er weiß von den Kindern! Aber wieso wundere ich mich eigentlich darüber?
    Das war doch klar. Sie wissen alles. Oder fast alles.
    Nummer Zwei redet indessen unbeirrt weiter, er hat sich bestimmt jedes Wort zurechtgelegt.
    »… den Urlaub vermasseln werden. Soweit ich weiß, wolltet ihr irgendwo bei Valencia campen. Da kannst du doch genauso gut nach Murcia fahren, oder? Die Provinz liegt auch am Meer, nur ein paar hundert Kilometer weiter südlich. Wir haben euch einen Stellplatz auf einem Luxuscampingplatz reserviert. Du musst den ›Kunden‹ auch nur beobachten und uns Bescheid geben, wenn dir irgendwas seltsam vorkommt.«
    »Aber ich kann unmöglich …«
    »Keine Sorge, Nummer Drei, den Auftrag führt schließlich jemand anders zu Ende. Das wird auch erst nach der Abreise des ›Kunden‹ und in mehreren Kilometern Entfernung passieren. Niemand wird dich damit in Verbindung bringen.«
    Ich kann mich nicht weigern. Aber ich fürchte, das Ganze ist reine Hinhaltetaktik, und in ein paar Tagen muss ich den Auftrag doch noch erledigen.
    Ich muss es wissen, auch wenn eine solche Frage eigentlich nicht zulässig ist.
    »Und wer wird es tun?«
    »Nummer Dreizehn. Er hat sich freiwillig gemeldet.«
    »Nummer Dreizehn ist ein jämmerlicher Stümper. Er tötet aus purer Mordlust. Und das weißt du.«
    »Willst du den Auftrag lieber selbst übernehmen?«
    Dann gibt er mir noch die Adresse des Campings durch und eine Nummer.
    Es ist das Autokennzeichen des »Kunden«. Wenn sie einem eine Autonummer nennen, muss man den Fahrer umlegen. Ich habe das Gefühl, Nummer Zwei kostet mein Schweigen aus, obwohl ich bezweifle, dass er überhaupt etwas wirklich genießen kann.
    »Es ist natürlich all-inclusive«, informiert er mich noch. »Amüsier dich gut. Und hab einen schönen Urlaub.«
    Er legt auf.
    Und ich?
    Ich brauche mir die Wagennummer nicht aufzuschreiben.
    Ich kenne sie auswendig.
    Denn das Auto habe ich selbst bezahlt.
    Es gehört Leticia.
     

04
     
    »Dein Problem ist, dass du gern schwimmst, dich dabei aber nicht nass machen willst«, sagte die ehemalige Nummer Drei des Öfteren zu mir. Auf seine Weise mochte er mich. Eine Weise, die ziemlich beschissen war.
    Er warb mich an und brachte mir das Töten bei.
    Und er war es auch, der mir erklärte, dass man ein schlechter Schütze sei, wenn man zweifele, weil die Kugeln das spüren

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