Wir toeten nicht jeden
würde sich meine Tochter darum kümmern.«
»Yolanda ist deine … Tochter?«, stammele ich völlig perplex. »Dann ist sie nicht deine Frau?!«
Prustend lacht er los, verschluckt sich fast, worauf er wieder husten muss.
»Du bist echt schwer von Kapee, Junge«, japst er. »Glaubst du im Ernst, ich hätte einem Ladykiller wie dir meine Frau geschickt?«
Ich antworte nicht, denn ich bin ganz damit beschäftigt, im Garten nach ihr Ausschau zu halten.
»Sie ist nicht hier, du Herzensbrecher.« Er lacht amüsiert. »Außerdem bist du doch meinetwegen hergekommen, oder etwa nicht?«
Wortlos nicke ich, worauf er sich in seinem Korbsessel zurücklehnt und in aller Ruhe Erinnerungen an unsere gemeinsamen Aufträge wachruft und Anekdoten erzählt, die Teil seiner eigenen Geschichte sind.
Ich höre ihm nur mit halbem Ohr zu.
Ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich werde auf der Insel bleiben und ihm bis zu seinem Tod Gesellschaft leisten.
Und dann gehe ich.
Ich weiß nicht, wohin.
Aber ich verschwinde, so viel ist sicher.
Plötzlich bricht die alte Nummer Drei jedoch mitten im Satz in so schallendes Gelächter aus, dass es sich anhört, als würde er aus dem letzten Loch pfeifen. Ich springe auf, um ihm auf den Rücken zu klopfen – da gibt er mir fast zärtlich eins auf die Nuss: Für einen Todkranken ist er noch erstaunlich gut bei Kräften.
»Na geh schon, du Esel«, brummt er, als er wieder Luft bekommt, und deutet auf einen schmalen Pfad, der sich zwischen den Palmen verliert.
Ich laufe los, werde immer schneller, als ich am Ende des lichten Hains das Meer erahne.
Und dann sehe ich sie: Mitten auf dem ansonsten menschenleeren Strand, in einem leichten, bunten Kleid, blickt sie mir entgegen.
Yolanda.
Die Sonne der letzten Monate hat sie gebräunt, und sie ist noch schöner als vorher.
»Hallo, Juan«, begrüßt sie mich schüchtern. Sie ist genauso nervös wie ich und weicht meinem Blick aus. »Ich konnte es dir nicht sagen, ich …«
Sanft lege ich ihr zwei Finger auf die Lippen.
»Pst, das ist jetzt egal. Wichtig ist nur eins: Willst du immer noch mehr?«
»Ja natürlich«, flüstert sie. »Und du?«
»Ich auch«, entgegne ich lächelnd. »Sag, bist du schon mal in Brasilien gewesen? Oder in Peru? Oder in Buenos Aires?«
»Nein, aber ich würde wahnsinnig gern Tango tanzen lernen. Bringst du es mir bei?«
»Mit Vergnügen. Allerdings wirst du dich hinten anstellen müssen.«
Das versteht sie nicht, aber es ist ihr auch egal. Strahlend sieht sie mich an, und dann rennt sie los, ins Wasser, streift noch im Laufen ihr Kleid ab.
Ich gehe ihr langsam nach.
» Dein Problem ist, dass du gern schwimmst, dich dabei aber nicht nass machen willst, mein Junge «, hat die alte Nummer Drei früher immer zu mir gesagt.
Ich ziehe mich aus und werfe meine Kleider weit von mir, in die Wellen, damit sie sie forttragen.
Ich habe nicht vor, noch mal jemanden umzubringen.
Und so schnell ziehe ich mich auch nicht wieder an.
Ich will nur noch schwimmen.
Und mich dabei so nass machen, wie es nur irgend geht.
Dank
›Wir töten nicht jeden‹ ist in Spanien genau ein Jahr nach meinem Romandebüt ›Camino de ida‹ erschienen. Seither ist viel geschehen, und dafür möchte ich von Herzen danken.
Großen Dank schulde ich Andrea Camilleri, einem wahren Meister des Kriminalromans und unfreiwilliger Namensgeber für eine Figur in dieser Geschichte: Mit seinen Romanen erinnert er mich stets daran, dass beim Schreiben der Weg der Einfachheit zwar der komplexeste, zugleich aber auch der amüsanteste ist.
Mein Dank gilt natürlich auch meinen »Entdeckern« in Spanien, Daniel Martínez und Pablo Mazo vom Verlag Salto de Página: Gemeinsam haben wir einen Traum zu leben begonnen, der immer spannender und großartiger wird.
Und last but not least danke ich Ilse Layer für ihre große Sorgfalt bei der Übersetzung.
Carlos Salem
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